Arthurs Zimmer
Es ist ein freundliches Zimmer, wenn auch nie aufgeräumt. Überladen, ja, aber nicht beengend. Ein Wunder, wie Arthur überhaupt an seinem Schreibtisch arbeiten kann. Nicht ein Fleckchen Arbeitsfläche ist unter all dem Zettelwerk zu sehen. Gerade einmal die Tastatur seines Computers blinzelt dazwischen hervor. Auf seinem Sessel stapelt sich Gewand, das er vielleicht getragen hat oder auch nicht. Türme aus Stoff und aufgedruckten Bildern. Mehr, als er braucht, aber nicht so viel, wie er will.
Über dem Schreibtisch hängt sein Poster einer Landkarte, vollgepinnt mit roten und grünen Nadeln. Arthur ist ein richtiger Weltenbummler und fährt am liebsten überall auf einmal hin. Hinterher erzählt er allen von seinen Reisen und wie sehr sie ihm gefallen haben. In dieser Hinsicht gleicht er seinem Vater mehr denn je. Jeder Urlaub bedeutet neue Inspiration, neue Ideen. Und deshalb zeige ich ihm die ganze Welt. Er kennt mehr Orte, als er sich merken kann, aber nicht so viele, wie er gerne bereist hätte.
Um die vielen Eindrücke nicht ganz aus dem Gedächtnis zu verlieren, hat er eine Kamera geschenkt bekommen. Eine Spiegelreflexkamera, das ist ihm besonders wichtig. Mit ihr hält er alles fest, jeden Moment, jeden Eindruck, jede noch so kleine, scheinbar belanglose Erinnerung. Seine Fotos tapezieren die freien Stellen der Wände und tummeln sich in dicken Alben. Sie nehmen ein ganzes Brett in Arthurs Bücherregal ein, das direkt neben dem Bett steht, damit er abends eines herausziehen und sich die Bilder ansehen kann. Abertausende von Bildern. Mehr, als er betrachten kann, aber nicht so viele, wie er in Erinnerung behalten möchte.
Auf vielen ist er auch selbst abgelichtet. Mit seinen Freunden beim Radfahren, im Kino, auf Partys. Dieses Zimmer beehrt er nur manchmal mit seiner Anwesenheit. Wenn er Zeit hat. Aber seine Woche ist zugepflastert mit allem, was ihm Spaß macht. Zwischendurch schiebt er auch hin und wieder Hausaufgaben ein, aber lernen muss er nicht viel. Das macht einen Vater stolz, wenn der eigene Sohn trotzdem gut in der Schule ist. Also eigentlich hat er viel Zeit. Mehr als die meisten anderen in seinem Alter, aber nicht so viel, wie er gerne genutzt hätte.
Nicht selten kommt es vor, dass seine Freunde nicht können. Das ist der Moment, in dem er zum Bücherregal schlendert und sich zwischen den vielen Seiten verliert. Er vergisst dann die reale Welt und verfällt diesem ganz besonderen Zauber, der einen an Papier und Tinte fesselt. Die andere Welt hat so viel zu bieten und es ist für jeden etwas dabei. Was außer der Fantasie kann das von sich behaupten? Kein Wunder also, dass ich mich voll und ganz dieser Welt hingegeben habe. Jedes Mal durchströmt mich Zufriedenheit, wenn ich wie jetzt in Arthurs Zimmer stehe und er sich nicht von dem Buch losreißen kann, auf dem mein Name steht. Das Loch im Bücherregal zeigt, wo die anderen Bände warten. So viele Worte, die ich schon geschrieben habe, aber nicht annähernd so viele, wie mir noch im Kopf herumschwirren.
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