Übermut tut selten gut
Noch eine Stufe, na los, zwei auf einmal. Ich blicke hoffnungsvoll hinauf, doch diese Wendeltreppe ragt weiterhin in Richtung Himmel. Bemerkt, dass mein Atem schwerer wird und zum Teil aussetzt, habe ich schon lange, doch man ist erst an seinen Grenzen, wenn einem zum Kotzen ist. Das sagt zumindest immer der Mann im weißen Kittel.
Dumpfe Stimmen in meinem Hinterkopf, die mich hochjagen und genau das ist es. Ich muss höher und ja, schneller und vor allem - weiter. Unbedingt weiter.
Auch wenn mich diese verdammten Beine nicht länger tragen wollen und meine Körper zu versagen neigt. Aber ich muss, ich muss unbedingt und da ist er und natürlich, er versteht. Der Mann im weißen Kittel, denn er versteht mich als einziger und gibt mir, was ich brauche.
Also überreicht er mir mit einem bösen Lächeln diese Hormonspritze, die mich endgültig unbesiegbar machen soll.
Was genau ich mir da gerade gespritzt habe, ist mir egal, denn mir geht es, als würde meine Seele gerade meinen Körper verlassen und als würde sie grob zurückgezogen werden. Mir geht es, als würde jede Kraft, die ich in den Wind geschossen habe, um das Dreifache zurückkommen.
Es läuft sich wie von alleine, es ist keine Kunst mehr und vor allem keine Anstrengung mehr. Ich laufe, ich renne, ich neige zu sprinten und da, endlich. Ich erblicke das verfluchte Ende dieser Wendeltreppe.
Von Freude überwältigt, übermotiviert und definitiv nicht zurechnungsfähig blicke ich umher. Als mir bei genauerem Hinsehen auffällt… „Du warst zu langsam!“ Ich drehe mich zur Stimme und bemerke erst jetzt, wie meine Beine nachgeben und ich nur noch schwer Luft bekomme. Ich merke erst jetzt, wie sehr ich meinen Körper an seine Grenzen gebracht habe. Und ich merke erst jetzt, dass ich wieder am Anfang bin. Ich blicke in das vielversprechende Gesicht des Mannes, denn klar, er weiß immer was zu tun ist. Und er gibt mir immer, was ich brauche, denn er versteht mich. Und zwar als einziger.
„Es gibt da noch etwas. Etwas Neueres, Stärkeres!“ Sauer, unüberlegt und dennoch froh greife ich nach der Spritze, die er vor mir hin- und herbewegt. Mit wilderem Ehrgeiz, abgrundtiefem Zorn auf mich selbst und meine schwache Leistung und vor allem neuer Kraft renne ich diese Wendeltreppe hoch. Was ich mir da gerade gespritzt habe, ist mir egal. Hauptsache, dieses Zeug bringt mich nach oben.
Koste es, was es wolle.
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