Der endlose Tanz
Ich stehe in der Dusche und starre die Rasierklingen an, meine Gedanken ein wiederholendes Mantra. Meine Finger tanzen um die scharfe Klinge. Was würd passieren, würde ich jetzt einfach reinschneiden? Wenn es tiefer rein gehen würde als sonst? Bevor ich irgendetwas machen kann, was ich bereuen würde, gehe ich aus der Dusche raus.
Jeden Tag das gleiche Spiel, und es hat kein Ende. Jeden Tag finde ich mich vor dem PC, wie ich versuche mich abzulenken, von meinen Gedanken. Jeden Tag hört man von meinen Kopfhörern Musik, nur um das Mantra auszulöschen. Jeden Tag höre ich, wie meine Eltern streiten, jeden Tag muss ich zuhören, wie sehr ich sie enttäusche. Jeden Tag immer das Gleiche, eine Schleife mit keinem Ende.
Die intrusiven Gedanken schleichen sich jedes Mal durch all die Barrieren, die ich aufstelle, jedes Mal flüstert sie mir, dass ich endlich aufgeben sollte. Mich würde niemand jemals ernst nehmen. Sie hat immer Recht, nie liegt sie falsch, aber unser Duett hört nie auf. Wir tanzen umeinander herum, maskiert und geschützt, obwohl wir den anderen tiefsinnig kennen. Dennoch hört der Kampf nie auf und wir tanzen weiter, das Messer immer bereit in unseren Händen, sollte einer von uns doch die Kraft verlieren. Der Tanz geht immer weiter mit keinem Ende sichtbar am Horizont.
Es hat nirgendswo ein Ende, unser Tanz wird für immer weiter gehen. Zuhause, wo ich angeschrien werde und mein Zimmer der einzige Ort ist wo ich leben kann. In der Schule, wo mich keiner respektiert und es so langweilig für mich ist, dass die Gedanken im freien Strom reinlaufen können. In den sozialen Medien, wo ich meine Freunde beobachten kann, wie sie alle was unternehmen und mich vergessen einzuladen. Die Gedanken sind ein Teil von mir und ich ein Teil von ihr. Unsere Kleidung ist schon blutbefleckt, aber keiner von uns wird aufhören.
Ein endloser Kampf, ein zehnjähriger Krieg der noch nicht zum Aufhören bereit erscheint. Manchmal würde ich gerne aufgeben, gerne ihr in die Arme fallen. Den liebenden und warmen Kuss vom Tod akzeptieren, in ihren kalten Armen eingeschlossen werden. Der endlosen Schleife sein Ende geben, eine Tragödie vollenden, in Büchern beschrieben werden. Ihr Messer zu mir leiten, nur um erlöst zu werden.
Und als das warme Blut mich umgibt, weiß ich dennoch, unser Tanz wird nie enden.
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