Die alte Bank
Ich sitze auf einer uralten Bank, die mein Vater schon zweimal notdürftig verstärken musste, um nicht durchzubrechen und im Wasser zu landen, und blicke auf die Donau. 4 Millionen Liter Wasser fließen pro Sekunde an mir vorbei. Immer weiter abwärts, unaufhaltsam, bis es sich irgendwann in einer Unmenge anderen Wassers verteilt. Vom Meer zum Himmel, von dort zu den Bergen, von Berg zu Tal. Ein Kreislauf, der sich seit Milliarden von Jahren wiederholt. Wasser, das Elixier jeden Lebens, das wertvollste Gut der Erde. Die Sonne verliert immer mehr das Gleichgewicht und taumelt immer schneller auf den Abgrund zu, der keiner ist. Morgen wird es wieder so sein, wieder und wieder. Noch so ein Kreislauf, ohne Anfang und Ende, nur mit Licht und Schatten, existent, solange ich, solange jeder zurückdenken kann. Natürlich ist er das nicht immer gewesen und wird es nicht immer sein, aber was interessiert mich das in diesem Moment? Auf ihrem Weg nach unten taucht die Sonne Himmel und Wasser in einen wunderschönen rot-gelb-goldenen Glanz. Bis auf das leise Geräusch des Wassers ist es ist ganz still, als ob jemand die Zeit angehalten hätte. Einen Moment lang genieße ich die absolute Ruhe, dann wird ein leises Tuckern hörbar, das immer lauter wird. Ein Passagierschiff zieht vorüber, der Kapitän hat es offenbar eilig, der Bootssteg fängt an zu schaukeln, die Bank knarzt. Das Tuckern wird wieder leiser, das Schaukeln ebbt ab. Dann kehrt wieder Stille ein. Ich denke wieder an meinen Vater. Ist das Leben auch ein Kreislauf und er läuft schon irgendwo als hoffentlich gesünderer Mensch herum? Oder lächelt er gerade von oben auf mich herab? Werde ich ihn je wiedersehen? Ich lausche in die Stille hinein und hoffe, eine Antwort auf meine Fragen zu bekommen. Es bleibt still.
Offenbar muss ich noch etwas länger auf meine Antwort warten.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX