Die Erinnerung an dich
Das Geräusch des Regens. Es war das, was sie aufweckte. Sie spürte die Regentropfen an ihrer Wange herunterlaufen. Es war kein starker Regen gewesen. Es war leicht und sanft, wie die Gefühle, die sie empfunden hatte, als sie mit ihm war. Sie erinnerte sich gerne an die Zeit mit ihm zurück. Damals fühlte sie so intensiv.
Sie öffnete die Augen und sah die grauen Wolken über sich schweben. Der moosige Geruch der nassen Erde stieß ihr in die Nase. Es war nicht kalt, doch es war nass. Der Regen störte sie nicht. Eine Weile blieb sie noch liegen. Als sie sich aufsetzte, spürte sie die frische Luft in ihren Lungen. Zuerst sah sie alles verschwommen, es dauerte ein paar Minuten, bis sie wieder klarsehen konnte. Sie war noch immer auf diesem Feld. Ihm hätte es hier gefallen. Ihr Kleid war voller Erde. Höllische Erschöpfung pulsierte durch ihren ganzen Körper, doch der physische Schmerz, den sie empfand, war nichts im Vergleich zu dem, was sie innerlich fühlte. Es tat weh, aber es war kein unruhiger Schmerz, es war ein friedlicher Schmerz. Sie verspürte diesen Schmerz so intensiv, dass sie darin versinken hätte können. Sie stand so neben sich, dass sie den Hasen vor sich erst nach einigen Minuten bemerkte. Als sie ihn sah, zuckte sie zusammen. Es waren seine Augen. Dieser Hase hatte Marks Augen. Plötzlich wollte sie vor dem Hasen flüchten und gleichzeitig wollte sie ihn an sich nehmen und beschützen. Sie starrte den Hasen an und der Hase starrte zurück. Diese tiefen, grünen Augen haben früher so viel Feuer und Leidenschaft ausgelöst. Heute spürte sie nur die Enttäuschung in ihnen. Nach einer Weile begann der Hase fort zu hüpfen. Sie konnte ihn nicht schon wieder verlieren. So fing sie an ihm hinterherzulaufen. Vor drei Jahren ist sie auch mit ihm in Feldern gelaufen. Es fühlte sich alles so schwerelos an, als Mark da war. Es ging einzig und allein darum zu fühlen. Der Hase wurde schneller, sie daher auch. Mit jeder Minute fühlte es sich an, als würde er schneller werden. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung und bemerkte nicht, dass sie in einen Zug lief. Die Türen schlossen sich und der Hase war weg. Sie setzte sich. Der Zug fuhr in einen Tunnel. Erinnerungen überfluteten sie. Dies war genauso ein Zug, indem er sie zum ersten Mal fragte, was sie fühlte. Sie wusste es damals nicht. Jetzt weiß sie es. Sie fühlte Liebe. Liebe in allen Formen. Heute war das eine traurige Liebe. Sie konnte die Zeit nicht wirklich einschätzen. Der Zug blieb abrupt stehen. Sie stieg aus dem Zug aus und stand vor dem Gebäude, in dem alles sein Ende fand. Das kalte, graue Krankenhaus, indem er vor drei Jahren starb. Drei Jahre war so eine lange Zeit und doch fühlte es sich an, als wäre keine Minute vergangen. Nachdem sie eintrat, stand sie vor dem Bett, indem er seine letzten Atemzüge nahm. Sie kletterte in das Bett und verblieb dort für eine Weile. Er hat sein Ende vor drei Jahren gefunden, doch die Erinnerung an ihn wird niemals sterben.
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