Die Farben der Sonne
Mal wieder wanderte ich durch eine Stadt der Menschen. Jene Stadt habe ich schon in so vielen Formen gesehen, klein, wachsend, mächtig, besiegt und sich wiederaufrichtend.
Ich schritt gemütlich durch ihre Gassen, auf dem Weg zum Hauptplatz. Als ich dort ankam traute ich meinen Augen kaum, denn neben dem Brunnen saß eine wunderschöne junge Frau und malte.
„Gerade als ich dachte das Farbenspiel von Sonne und Himmel wäre das Schönste auf der Welt, sah ich dich“, gestand ich ihr. Meine Stimme voll so viel Zuneigung wie möglich.
Sie errötete.
„Wie heißt du?“, wollte ich wissen.
„Philomena“, antwortete sie.
Von da an trafen wir uns immer öfter und Philomena begann mich so sehr zu lieben, wie ich sie.
Die Jahre vergingen und unsere Liebe nahm kein Ende. Sie malte, ich war ihre Inspiration. Wir erzählten uns alles. Bald wurden sie und ihre Kunst nicht mehr bloß von mir, sondern auch von Galerien und Mäzenen in den Himmel gehoben. Es lief perfekt, doch es gab noch ein Geheimnis zu teilen.
„Ich bin unsterblich“, gab ich zu.
Sie lachte und erzählte: „Weißt du, manchmal fühle ich mich auch unsterblich. Dank dir und meiner Kunst, fühlt es sich an, als hätte ich alle Zeit der Welt.“
„Hättest du gern alle Zeit der Welt?“, erwiderte ich.
Sie musste erkannt haben, dass ich es ernst meinte, denn sie konterte: „Das war kein Scherz? Du bist unsterblich?“
Ich nickte.
Ihr Gesicht wechselte von verwirrt zu mitleidig. Ich fürchtete mich vor dem, was jetzt kam.
„Ich liebe dich über alles“, gestand sie mir, „Aber ich kann nicht. Ich würde mit dem Gedanken, dass nichts ein Ende hat, nicht fertig werden. Ich würde wahnsinnig werden.“
„Die besten Künstler sind wahnsinnig“, versuchte ich die Stimmung zu heben.
Sie schüttelte nur den Kopf. Wir wussten beide, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde.
Die Jahre rannen, wie Sand, durch meine Finger. Jeden Tag freute ich mich über den Anblick meiner Liebsten, doch jeden Tag wurde der Anblick schmerzhafter. Philomena war so schön wie eh und je, doch sie welkte und ich merkte, dass sie jeder Tag ein wenig näher an ihr Sterbebett brachte.
Nichts konnte mich jedoch auf das Gefühl vorbereiten, als es so weit war. Ein Schmerz, wie ich ihn noch nie zuvor verspürt hatte, stach in meine Brust und verbreitete sich von dort in meinem ganzen Körper.
Ich blieb bei ihr, solang es ging. Nachdem ich eine Woche neben ihrem Grab verbracht hatte, kehrte ich in meinen Tempel zurück. Der Abstand machte es nicht besser. Weitere Jahre, die ich abwechselnd bei Philomenas Grab und in meinem Tempel verlebte, vergingen. Der Schmerz wurde nicht leichter. Er nahm kein Ende.
Mit der Zeit begann ich mich mehr und mehr an das Schöne zu erinnern und es begann den Schmerz zu verdrängen. Ich wollte wieder zurück an all die Orte, die ich mit ihr besucht hatte.
Daher schritt ich wieder zum Hauptplatz und traute meinen Augen kaum, denn neben dem Brunnen saß eine wunderschöne junge Frau und malte.
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