Die Flucht
Er stieß an den Tisch und das Glas vibrierte. Eine weitere Berührung mit dem Tisch, wenig sanft als zuvor und das Glas fiel zu Boden und zerbrach in tausende Scherben. Er sah sie an und dachte sich, wie zerbrechlich alles wäre. Er stand in der Stille der Nacht in einem niedrigen Raum, gerade groß genug um aufrecht stehen zu können. Doch plötzlich zerriss ein lautes Heulen diese Stille. Ein Blick aus dem Fenster und er wusste, was zu tun war.
Er sah Blaulicht und bewegte sich zur Tür. Er vergaß, dass der Türstock so niedrig war, und deshalb schlug er mit seinem für seinen großen Körper viel zu kleinen Kopf an der Kante des Türrahmens an. Dies hielt ihn aber nicht auf. Er rannte aus dem kleinen Raum und kam in einen etwas höheren Gang. Seine Schritte wurden immer schneller und irgendwann ging das schnelle Gehen in einen Lauf und dieser in einen Sprint über. Er rannte durch das Treppenhaus hinunter zur Garage.
Hinter sich hörte er zwei Männer und einen kläffenden Hund. Wie groß würde dieser Hund sein? Groß genug um ihn zu fressen? Er malte sich die schrecklichsten Bilder aus. Er bewegte sich zu seinem 1958er Cadillac in Schwarz, Sonderedition, und drehte den Zündschlüssel nach rechts. Der Motor gab ein leises Krächzen von sich und starb danach wieder leise ab. Er drehte noch einmal, dasselbe Krächzen und der Motor verstummte. Erst beim dritten Mal drehte der Motor sich weiter und er konnte den ersten Gang einlegen.
Die Türe zur Garage öffnete sich. Er sah in den Rückspiegel und erkannte, wie nun ein halbes Duzend an Männer in die Garage traten, zwei davon hielten große Hunde an der Leine. Er bog um die Ecke der Garage und öffnete mit seiner großen, unpraktischen Fernbedienung das Garagentor. Er fuhr hinaus und zog den Lenker nach links. Die Reifen taten, was er wollte, jedoch widerwillig und quietschend. Hinter ihm sah er Blaulicht und es ertönte eine verstärkte Stimme, die ihn zum Anhalten aufforderte. Er ignorierte sie und trat noch fester aufs Pedal.
Plötzlich fielen ihm die Scherben wieder ein und er dachte daran, wie zerbrechlich auch sein Leben wäre. Er sagte laut: „Irgendwann ist es genug. Es ist Zeit es zu beenden, aber so, wie ich es selber verdient habe. Es ist genug.“
Er bog in eine Allee ein, die Polizei nur zehn Meter hinter ihm, er verließ die Straße fuhr auf einen Kastanienbaum zu und ihn selbst mit seinen fast ein Meter neunzig schleuderte es aus der Frontscheibe. Das Folgetonhorn verstummte. Es war genug.
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