Goldrausch
„Wäre es nicht schön, Richtung Westen zu ziehen und reich zu werden?“, fragte Jones in die Runde, während er einen kräftigen Schluck nahm. „Wir haben doch genug hier. . .“, fügte ich unmotiviert wie immer hinzu und zündete eine Zigarre an. „Genug?“, warf Samson ein, „Zum Teufel mit deinem Genug! Wir arbeiten tagelang, die ganze Woche, nur um am Anfang der nächsten wieder mit leeren Taschen dazustehen. Wenn das für dich Genugtuung ist, kannst du dich auch gleich eingraben lassen. Gold müsste man finden, dann hätte man bis zum Ende seiner Tage ausgesorgt.“
Kurz darauf torkelte ein Mann zur Türe hinein, fiel auf den freien Stuhl an unserem Tisch und lallte: „Freunde, die nächste Runde geht auf mich, ab morgen bin ich nämlich der reichste Mann der Stadt!“ „Ach, und wie kommt das?“, fragte ich nach. „Ihr werdet es mir nicht glauben“, erzählte er, „aber ein Indianer hat mir gerade von einer Mine nicht weit von hier erzählt, die bis obenhin voller Gold ist. Gleich morgen reite ich mit meinem Werkzeug dort hin, und dann können mich diese Plantagenbesitzer mal kreuzweise, dann kauf ich das ganze Kaff hier auf.“ „Natürlich. . .“, lachte ich ungläubig, nahm einen Zug von meiner Zigarre und lehnte mich zurück. Doch in meinen Freunden schien diese Erzählung ein Feuer entfacht zu haben. „Meinst du, du könntest mich morgen mitnehmen?“, fragte Samson eifrig. „Ja sicher“, prustete der Mann und klopfte Samson auf die Schulter, „solange du brav teilst, bist du dabei.“
„Darauf trinken wir einen!“, rief Samson und wollte sich noch einen Krug holen, als ich ihn zurückhielt und ihn warnte: „Du hattest heute schon genug.“ „Einer mehr geht immer!“, prahlte er und schob mich zur Seite.
Bestürzt musste ich zusehen, wie auch Jones den Fremden um Erlaubnis fragte, an mitmachen zu dürfen. Ich fragte ihn: „Du verdienst doch genug, um gut über die Runden zu kommen, wozu willst du da mitmachen?“ „Für mich nicht genug, wenn so einfach mehr möglich ist!“, wandte er ein. Kopfschüttelnd drückte ich meine Zigarre aus, stand vom Tisch auf und ging nach Hause.
Von Samson und Jones hörte ich nach diesem Abend nichts mehr. Sie erschienen am nächsten Tag nicht auf der Plantage, also ging ich davon aus, dass sie auf Goldjagd gegangen waren.
In nächster Zeit schnappte ich beim Tratsch einige Informationen über die beiden auf, zum Beispiel, dass Samson vollkommen verkatert vom Pferd gefallen wäre und sich beide Beine gebrochen hätte, oder dass Jones und der Fremde das Gold nicht gefunden hätten.
Sonntag Abend saß ich wie gewohnt auf der Bank vor meinem Haus und hatte eine Zigarre angesteckt. Von hier konnte ich in den ersten Stock des Hauses gegenüber blicken. Dort trafen sich die Plantagenbesitzer jeden Sonntag, um die Lage zu besprechen. Als dies, wie jedes Mal, in lautes Geschrei und Gestreite überging, lehnte ich mich zurück, nahm einen Zug, blies den Rauch aus und dachte mir lächelnd: "Für mich ist genug einfach ausreichend. "
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