Mein Held
Meinen Held lernte ich vor etwa vier Monaten kennen, zufällig und an einem Ort, an den ich nie gedachte hätte, eine Person wie ihn zu treffen. Ich war alleine unterwegs, was jedoch relativ ungewöhnlich für meine Person war, denn ich legte viel Wert darauf mit den richtigen Menschen zu verkehren, diese Menschen würde ich nie als meine Freunde bezeichnen, eher als Bekanntschaften, die mir die Tore, dieser ganz anderen Welt offen hielten. Eine Welt voller Nacktheit, Schamlosigkeit und den ungestillten Trieben der Wiener Jugend, und ich war mitten drinnen. Ich konnte kaum still sitzen, ich kann mich erinnern, mich gefragt zu haben, was um Himmelswillen meine Glieder so heftig durchzucken lässt, denn obwohl ich ihn noch nicht kennengelernt hatte, spürte mein reines Ich, was sich tief in meiner Seele versteckte, dass heute etwas passieren wird, was mein Leben von Grund auf verändern würde. Mit Kopfhörern und meinem Gesicht im Schal versteckend, ging ich aus der Haustür. Es war Winter und die tiefschwarze Nacht senkte die Köpfe jener Menschen, die sich Samstagabends herumtrieben, noch tiefer zu Boden. Die Wolken spannten sich wie ein mächtiger Vorhang über das Licht der Sterne, so, dass nur noch die Straßenlichter in ihrem unverträglichen Neonlicht leuchteten. Am Donaukanal herrschte das übliche Treiben, junger, betrunkener und anderen Substanzen ausgelieferter Menschen, die sich drängten und stießen um einen besseren Platz in der, noch nichtmal langen Schlange, zu ergattern. Ich blieb perplex, zwischen Drogendealern und der Donau, stehen. In diesem Tumult, spürte ich eine Kraft, die mich in die andere Richtung zog, und ohne weiter darüber nachzudenken, machte ich kehrt und ging gerade aus. Kaum stand ich unter der Brücke begrüßte mich mein alter Freund, der Wind wieder. Mit einem heftigen Luftstoß, riß er mich mit und ich taumelte ein paar Schritte rückwärts, meine Augen waren geschlossen und die Kopfhörer steckten noch immer in meinen Ohren, als mich plötzlich eine harte Schulter rempelte und mich um 180 Grad drehte. Mein Kopf wand sich unwillkürlich zu jener Person, die mich mit kastanienbraunen Augen bemitleidend anschaute. Es war ein junger Mann, ich schätze ihn auf 19 oder 20, in der rechten Hand hielt er einen Kopfhörer, den er sich soeben aus dem Ohr genommen hatte und in der linken eine Zigarette. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, die wir uns, da fünfzig Zentimeter voneinander entfernt, gegenseitig in die Augen schauten. Endlich brach er diese Stille, die jedoch keinesfalls unangenehm oder peinlich war. Seine Stimme war hell und aufgeweckt, sie riß mich aus meinem Winterschlaf und ich konnte nicht anders, als diesem aufgekratzten Menschen ein ehrliches Lächeln zu schenken, das er freudig erwiderte. Gemeinsam drängelten wir uns vor die anderen, um uns dann in Mitten lauter Musik und wilden Lichterspielen wieder zu finden. Kein idealer Ort für ein erstes Treffen, aber ich genoss die elektrische Spannung zwischen uns.
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