Nathanael an Olimpia
Du bist weit von hier. Doch ich, ich sehe …
… noch kein Ende.
Kein Ende in Sicht für mich, weil meine Gedanken noch immer deine sind. Mit dir in mir vergisst man nicht so leicht. Aber warum auch vergessen?
Distanz. Distanz war dir wichtig. Es war das A und O von dem, was man als „uns“ bezeichnen darf. Und wegen ebendieser Distanz bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich das „uns“ aussprechen sollte.
Wenn sich zwei Seelen begreifen, warum sie dann spalten? Warum sie trennen? Der Alltag geht weiter, auch ohne dich. Für mich ist er noch alltäglicher als sonst. Noch unzureichender. Noch unverständlicher. Ich verstehe nicht, doch ich will auch gar nicht verstehen. Warum sollte ich? Was bringt es mir? Was will ich noch von dir? Und es hört nicht auf, das Denken, Hirnen, Kopfzerbrechen.
Die Routine zerfließt mir zwischen den Fingern, wie schwarzes, klebriges Öl und sie schmiegt sich ebenso gleichermaßen an meine Haut, dass ich mir einbilden könnte deine Hand wäre es, die sich um die meine schlingt. Ich brauche einen Moment … zwei, drei Wochen, bevor ich verstehe wieso. Du. Du warst es. Du warst Routine, du warst Sinn. Kein Ende, niemals. Unser Ende mag gekommen sein, doch ich weiß, dass es dennoch niemals wirklich sein kann. Nicht für mich. Nicht, nachdem du dich mir geöffnet und preisgegeben hast. Stück für Stück. Ich sehne mich nach dir. Ich brauche dich. Ich bin abhängig von dir, deinen Gedanken, Emotionen, dem gesäuselten Hauchen, an dem ich einst zerfloss. Von allem, was du mir offenbartest von dieser Welt und allem, was du mir heimlich an Informationen zugeschoben hast über dein Innenleben.
Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, jene in der du noch warst. Hier, bei mir. Oder eher: ich, dort bei dir. Es ist, als könnten meine ausgestreckten Hände die deinen fassen und dein kalt Blut würde augenblicklich durch mich dringen und sogleich meinen inneren Frost mit sich ziehen. Es ist, als würdest du mir die rechte auf den Rücken legen und mich, mit leichtem Nachdruck, sorgsam und umsorgt führen. Durch das Leben, die Welt, mein Leben, meine Welt.
Und irgendwo tief in mir erhellt ein Glöckchen mit dem leisesten aller Klänge, das mir zuflüstert, dass alles was sich in mir auf und ab wiegt wie ein Kahn auf Wellen und alles was so ganz ohne jegliche Ruhe in mir ungebunden schwebt wie die Brise, die über den Wellen alles Land umgibt, dass das alles zurzeit so unwichtig ist, so belanglos, dass jeder verschwendete Gedanke daran schon an Wichtigkeit verliert bevor er überhaupt vollständig geformt und in meinem Kopfe zum Bestmöglichsten materialisiert ist, wie der Rest dieser erfundenen Realität, die keine Existenzberechtigung besitzt und noch niemals besaß. Doch obwohl das Glöckchen so viel wichtiger ist, ist klar, dass Kommunikation mit ihm zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich bleibt, so gibt es doch weiterhin das Rauschen, welches lauter erklingt als alles andere, das fortlaufend träumt:
Das Ende Ist Niemals Das Ende Ist Niemals Das Ende Ist Niemals Das Ende…
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