Status Quo
„Genug, Genug“, weint die syrische Großmutter während tausende
Tränen ihr entstelltes Gesicht herunterströmen. Die mit dem Kopftuch verkleidete ältere Frau schreit fürchterlich, die maskierten Männer drücken sie auf den
blutigen Boden. Die ältere gläubige Oma hebt ihren Kopf, Blut läuft ihre Stirn hinunter gleichzeitig wird sie gezwungen zu sehen wie ihr
ältester Enkel, der Iman einer Moschee, brutal und kalt ermordet
wird. Ohne Gnade schneiden die Krieger ihm seine Gliedmaßen ab.
Aus der frischen, offenen Wunde spritzt Blut auf den Gebetsteppich. Sie schreit verzweifelt und ohne Hoffnung um Hilfe, doch auch ihr wird gefühllos ein Schwert in den kleinen, zierlichen Körper gerammt.
„Genug, Genug“, brüllt der muslimische Ehemann bitterlich, nicht weit entfernt. Auch er wird rücksichtslos und kalt niedergeschlagen. Die Soldaten heben seinen verunstalteten Kopf ebenfalls hoch und er muss dabei zusehen, wie die widerlichen Barbaren seine Frau quälen. Die verschleierte schwangere Ehefrau wird gewaltsam verprügelt und vergewaltigt, während die fünf angeblich religiösen Täter höllisch lachen.
Das beschädigte Haus nebenan wird von Terroristen gestürmt. Die sechs-köpfige Familie wird grausam getreten und geschlagen, bis alle wimmernd auf den staubigen, schmutzigen Boden geprügelt worden sind. Daraufhin geben die barbarischen Islamisten das Kommando, dass sich die verprügelten, blutverschmierten Angehörigen aufrappeln und sich in einer Reihe aufstellen. Als die Sippschaft dann endlich aufgestellt ist, zückt einer der 2 Täter eine blutverschmierte Waffe. „Pang“, der erste Schuss! Der 3-jährigen Suraya wird mitleidslos in den abgemagerten Bauch geschossen, das kleine Kind kreischt, bis sie auch dafür keine Kraft mehr aufbringen kann. „Pang!“ Der zweite Schuss trifft den 7-jährigen Bruder in den Schädel. Mit einem Loch im Kopf taumelt der leblose Körper des Kindes zurück. Die Leiche ist umgeben von einer Blutlacke, welche sich mit der der kleinen Schwester vermischt. Vier weitere Kugeln werden abgefeuert, nur noch der 12-jährige Muhammed ist übrig. Der Junge konzentriert sich zitternd und mit Tränen unterlaufenden Augen auf das Zählen der Gebetsperlen, bis einer der Maskierten sie ihm aus der Hand reißt. Neben den abgefeuerten blutigen Patronen und den Leichen der syrischen Familie liegen nun auch die Überreste der goldenen Gebetskette auf dem blutigen Boden.
„Es ist genug“, sagt der dunkelhäutige Familienvater, als er seine Frau und seine fünf Kinder auf das mit vielen tausenden Flüchtlingen überfüllte Boot setzt. Die Sicherheit seiner Ehefrau und seiner Abkömmlinge legt er in die Hände seines ältesten Sohnes, Hassan der gerade mal 15 Jahre alt geworden ist. Mit einem zufriedenem Lächeln im Gesicht sieht er, wie seine Familie der Gefahr davon segelt, als hinter ihm eine Bombe hochgeht. Dabei hat der Vater nicht geahnt, dass nicht seine ganze Familie lebendig Land erreicht.
Die Verwandten besitzen kein Geld mehr, all ihre Ersparnisse gingen für die Fahrt auf dem dreckigem Kutter drauf. Essen und Wasser ist ebenfalls knapp. Während der gierige Kapitän satt wird, verhungern gleich neben ihm kleine Kinder. Sich hinlegen oder gar hinsetzen ist schier unmöglich, denn das runtergekommene Boot ist überfüllt mit den anderen traumatisierten Flüchtlingen. Die Stabilität des Kutters ist ebenfalls fragwürdig, doch es hält stand bis vor der griechischen Küste wo es kentert. Nur der jüngste der Familie überlebt, Abdullah, das Nesthäkchen, welcher das Glück hatte ein schwimmendes Brett zu greifen und es zu der Küste zu schaffen.
Der kleine ängstliche Abdullah wird von anderen syrischen Flüchtlingen aufgelesen und folgt ihnen erwartungsvoll zur Grenze wo er mit ihnen geduldig wartet. Doch es ist noch lange nicht vorbei. Die Menschen dort haben ebenfalls kein Essen, das kleine Kind erinnert sich nicht mehr daran, wann er das letzte Mal satt geworden ist. In der dunklen Nacht muss der 4-Jährige auf der gefährlichen Straße schlafen bei den anderen tausend Menschen, aber diese Routine hält das schwächelnde Kind nicht aus. Es stirbt.
Dieser Text ist keine Fiktion. Er erzählt nichts Vergangenes, auch nicht etwas Zukünftiges, dieser Text berichtet davon, was in Syrien, im Iraq und noch in vielen anderen Ländern passiert. Während Sie ihn lesen, werden Menschen brutal zerstückelt, Mütter vor ihren Kindern ermordet und kleine Mädchen vergewaltigt.
Ist es nicht genug? Ist ihre Vergangenheit nicht genug? Anscheinend nicht, denn obwohl manche überleben, obwohl sie müheselig versuchen weiter zu leben gibt ihr ihnen keine Chance. Ihr nennt sie Terroristen, Vergewaltiger, Diebe, Neger, Kriminelle und noch viel mehr. Ihr seid durch eure Vorurteile geblendet. Ihr akzeptiert ihre Religion nicht, ihre Hautfarbe, ihre Herkunft, ihre Kultur. Ihr lasst sie an den Grenzen verhungern und erfrieren, nur weil ihr nicht genug habt. Ihr habt nicht genug Platz, ihr habt nicht genug Geld, ihr habt nicht genug Arbeitsplätze.
Ist denn ihr Leiden nicht genug?
Ist alles, was sie erlebt haben, nicht genug?
Doch es ist genug. Genug.
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