Unglück im Unglück
Ich sitze in der Klasse, draußen scheint die Sonne beim Fenster herein. Wie schön wäre es, wenn ich jetzt ausschlafen könnte? Die eine Tasse Kaffee am Morgen war definitiv zu wenig Koffein, um mich in diesem monotonen Unterricht wach halten zu können. Meine Gedankengänge wurden von der schrillen Stimme meiner Mathematik Lehrerin unterbrochen: „Kann mir jemand in diesem Dreieck den Cosinus von Alpha einzeichnen? Vielleicht jemand der heute noch nichts gesagt hat, wie wäre es denn mit dir Julian?“ Ich hörte meinen Namen in Gedanken nachhallen. Bis jetzt war ich damit beschäftigt gewesen meine Gedanken zu sammeln und den Zeigern der Uhr dabei zuzusehen, wie sie sich von Sekunde zu Sekunde weiterbewegten. Präsent in meinem Kopf waren bis dato nur die beiden Fragen „Wieso vergeht die Zeit so langsam?“ und „Warum hat diese Stunde kein Ende?“. Doch jetzt war ich in einer ausweglosen Situation gefangen: Durch meine Gedankenspiele über Müdigkeit und Kaffeekonsum hatte ich keinen Nerv mehr dem Unterricht von Frau Maier zu folgen. Problem war nur, dass ich jetzt den Cosinus einzeichnen musste und mich vor der gesamten Klasse blamieren würde. Was war der Cosinus überhaupt? Eine arabische Kaffeesorte? Schon wieder Kaffee… Ich trat langsam und verunsichert meinen „Walk of Shame“ zur Tafel an, als plötzlich der Feueralarm meine Schritte erstarren ließ. Jeder ging davon aus, dass es sich dabei um den obligatorischen Probealarm handelte, da der in diesem Jahr noch nicht stattgefunden hatte. Immerhin hatte sich das Mathematik Problem gelöst, allerdings war das Geräusch des Feueralarms mindestens genau so unangenehm. Wie immer in dieser Situation wurde in Zweierreihe die Stiegen herunterspaziert. Doch irgendetwas war diesmal anders: Es war laut und hektisch anstatt der Freude darüber, dass man 20 Minuten des Unterrichts verpassen würde. Und dann erblickten wir es alle, alle gleichzeitig: Lodernde Flammen schossen hinter hervorqualmenden Rauchschwaden heraus. Das blanke Chaos brach aus und die so oft von den Lehrern praktizierte Vorgehensweise wurde komplett ignoriert. Alles stand unter dem Motto „Rette sich wer kann!“ und alle inklusive mir suchten den schnellsten Weg nach draußen in die Freiheit. Auf einmal war ich hellwach, ich sprintete über die Stiegen, stieß die Tür zum Informatik-Raum auf und riss das Fenster auf, um hindurchzuspringen. Ich sprang in die Freiheit und ließ den schrillen Sirenenton gemischt mit den Stimmen der sich im Gebäude befindenden Lehrpersonen, die verzweifelt ihre Schüler suchten hinter mir. Diese Geräuschkulisse schien auch 100 Meter weiter kein Ende zu haben…
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