Zu Zweit Alleine
„Guten Morgen, Schönheit! Ich hoffe du hast gut geschlafen. Dich erwartet ein furchtbar langer Tag, den du wohl oder übel mit mir verbringen musst“, hörte ich Helmut sagen. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mein Lächeln zu unterdrücken. Das funktionierte nicht lange, wie er ja bereits vorher wusste. „Wir könnten doch noch fünf Minuten liegen bleiben. Dieser Moment ist wundervoll“, sagte ich leise. Er nahm mich in den Arm und schon spürte ich seinen ruhigen Atem in meinem Nacken.
„Komm Marie, wir gehen an den Strand.“ - „Das geht nicht, wir sind im Krankenhaus!“ - „Aber das Wetter ist so schön, Principessa.“ Ich zwang mich zu lächeln, um den Kloß in meinem Hals zu unterdrücken. „Wir sind nicht in Italien.“ - „Ich weiß, gute Dame.“
Ich wusste, was jetzt kommen würde. „Und wer sind Sie, bitte?“
„In guten und in schlechten Zeiten. Bis dass der Tod uns scheidet“ sagte er, die Liebe meines Lebens, und blickte in meine Seele. Er küsste mich und flüsterte mir ins Ohr: „Ich werde das nie vergessen. Diesen Augenblick werde ich mir jeden Tag vor Augen halten, denn du bist das Beste, was mir passieren konnte.“
„Marie, deine Frau. Ich besuche dich jeden Tag. Wir sind seit 54 Jahren verheiratet. Du kennst mich“, sagte ich zum dritten Mal heute und zum elften Mal in dieser Woche. „Aso, weiß ich doch! Sagen Sie, haben Sie eine Zigarette für mich?“ - „Nein, Helmut, du darfst hier nicht rauchen.“
„Du hast es versprochen!“ - „Marie, bitte, ich rauche seit meinem 15. Lebensjahr. So etwas ändert sich nicht sofort. Ist doch nur ein bisschen Rauch. Das stört keinen.“ - „Mich stört es Helmut. Bin ich etwa niemand? Unser ganzes Geld verbrennt einfach! Ich versuche für unser Kind zu sparen!“ - „Welches Kind? Wir kriegen doch keins!“
Ich sah noch seinen erschrockenen Blick und wie er die Lippen zusammenpresste, bevor ich mich im Bad einschloss. Ich spüre heute noch den Schmerz, der tief in meiner Brust verankert ist.
Ich sah den Schatten meines Mannes und hörte, wie er die Tür herabsank.
„Mein Leben will ich bei dir sein.
Ich kriege nicht genug.
Ich bitte dich, lass mich nie allein.
Ich kriege nicht genug.
Was auch sein und bleiben soll,
ich bin an deiner Seite, vergiss das nie.
Du bist das einzig Wahre,
du bist mein Sinn,
du bist meine Liebe,
Marie.“
„Das klappt diesmal nicht!“ - „Komm bitte raus, es tut mir Leid. Es ist nicht deine Schuld!“ - „Doch das ist es und du weißt es!“, brüllte ich erfüllt von Selbsthass und Bedauern, „wir zwei bleiben für immer alleine und das ist meine Schuld.“ - „Wir sind zu zweit alleine und solange wir zusammen sind, ist das in Ordnung. Bitte komm zu mir. Mach die Türe auf.“ - „Helmut, mir gehts nicht gut.“ - „Ich weiß“, hörte ich die gedrückte Stimme. Ich wusste, dass er weinte. Ich öffnete die Türe und schloss ihn in meine Arme. „Ich liebe dich“, sagten wir uns schluchzend.
„Entschuldigung, Schwester? Ich finde meine Brille nicht. Wären Sie so freundlich?“
Ich erhebe mich langsam und setzte mich zu ihm ans Bett.
„Ich kriege nicht genug“, flüstere ich.
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