Καλλιόπη
Keuchend erklimme ich die höchste Treppenstufe, schlittere auf regennassen Sohlen den gefliesten Gang entlang und presse meine unterkühlten Finger reflexartig auf den Klingelknopf. Noch bevor der durchdringe Klang einer kleinen Terz, gleich dem Kuckucksruf die muffigen Stiegenhausdämpfe zerreißt, schießt mir durch den Kopf, welch ein Fehler mir unterlaufen ist.
Verflixt – „IMMER KLOPFEN! !“, stößt du in meinen Gedanken hervor. Was wie eine zurückhaltende Bitte scheint, da erkenne ich, wie sehr du dich beherrschst, tiefe Verzweiflung im Zaum zu halten. Gelassene Oberfläche vorzutäuschen, während es im Inneren deines Schädels unkontrolliert brodelt. Endogene Kraft, ein ungestümer Vulkanausbruch der Zweifel, erweckt durch eine Kleinigkeit. Wie meine Westentasche kenne ich dich. Daher bin ich mir der Anstrengung bewusst, die es dich kostet, den gewaltigen Druck zu senken, Explosionen zu verhindern. Und gerade unsere enge Verbindung bietet dir Umgebung zum Überlaufen – jedem Vulkan seine Insel!
Die elefantengraue Tür wird so ruckartig aufgerissen, dass ich Hals über Kopf hineinstolpere, natürlich nicht, ohne schlammige Fußabdrücke zu hinterlassen. Im schwungvollen Aufrichten schlägt mein Hinterkopf unerwartet gegen Hartes. Dumpfes Plastikgeräusch antwortet auf pulsierenden Schmerz, der windeseilig meinen Scheitel hinabsaust. „Unbekannter Besuu“, schallt es schnarrend, „Katalog 14θ-Verarbbbbb-gespeichert-tollpatschig!“
Wie lebhaft mir der blinde, erste Empfang deines Projekts in Erinnerung schwebt. Kalliope hast du es genannt. Oder sie. Mit welchem Pronomen ist schließlich eine Maschine anzusprechen?
Immerhin, dein geheimer Kunstmensch zeigte Humor: Kalliope hatte mir neben der Nummer, auch das Theta, bezogen auf ihre Musenkollegin Thalia, die Komödienpatronin aufgezwungen.
Meiner Stimmung kongruent entwickelte sich die Lage nicht. Im Gegenteil, je öfter ich mich aufraffte, nach dir zu sehen, desto weniger sprang dabei heraus. Bekam ich dich selbst, an der Programmierung arbeitend, zu Gesicht, musste es erschreckte Sorge widerspiegeln. Dies zu lesen, wäre dir ohnehin ein Rätsel gewesen.
Seit der Hiobsbotschaft schnürt es mir die Kehle zu, an dich zu denken. Eisig kriecht ein Schauer meinen Rücken hinunter, während ich zaghaft die Klinke herunterdrücke. Aus Angst dich noch ausgelaugter, zerrissener vorzufinden, traue ich mich kaum, aufzublicken. Am Tisch sitzt Kalliope. „Zieh ihren Stecker!“, stammelst du, folgend wende ich mich um. Ungewohnt geduldiges Lächeln, energische Augen suchen mich, lassen erkennen: du hast es vollbracht, Entwicklung der Zeit besiegt. Jeder menschliche Ideenfunke beschleunigt ihren Lauf. Geschwindigkeit ist längst unbekannt, denn der Welt fehlt die Richtung. Eile verhindert kindliche Verwunderung. Chronos – die Zeit frisst ihre Kinder, denn ihr Tempo zwingt sie, zu brennen. Doch dein Lebenswerk – als Muse, Inspiration - ist ihr einen Schritt voraus.
Vor staunender Begeisterung strahle ich dich an: „Geht’s dir jetzt schnell genug?“
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