Abschied
Wie an etlichen vergangenen Nachmittagen sitzt du mir gegenüber in einem rot karierten Lehnstuhl, dessen Bezug mir heute abgenutzter als sonst erscheint. Die ganze Zeit über redest du schon und deine Worte verwirren sich in der Luft wie lose Fäden zu etwas undurchschaubaren, das dein Mund so leichtfertig webt, aber meine Augen nicht zu durchschauen vermögen. Während seine Form die sinnloser Silben nachahmt, sind deine Pupillen auf einen Punkt in der Ferne fixiert, dem nichts was du sagst nahe kommt. Wir waren immer weit voneinander entfernt meinst du und ich denke, dass auch wenn zu zweit einsam sein genauso einsam ist wie alleine einsam zu sein, es schön ist etwas gemeinsam zu haben, denn so fangen alle Liebesgeschichten an. Diese muss ein Ende haben sagst du und auf einmal fügen sich all deine Wortfetzen zu einem Abschied zusammen. Unsichtbare Schallwellen klingen aus deinem Mund vernünftig, aber in meinem Ohr verletzend. Wir waren nie ein Paar für die Ewigkeit sondern immer nur für den Moment, aber jetzt wo der Augenblick da ist der allen anderen ein Ende bereiten soll bin ich ich nicht darauf vorbereitet. Der Anblick deines arglosen Mundes versperrt mir die Sicht, deine Stimme verhindert die meine, ich weiß ich muss hier weg. Stuhlbeine schaben über den narbigen Boden, meine Füße sind meinen Gedanken voraus, sie führen mich aus dem Café auf die Straße hinaus, wo das Atmen wieder möglich ist. Trotzdem bleiben sie nicht stehen, denn deine Anwesenheit ist das Ende genauso wie ihr Fehlen. Immer schneller bahne ich mir meinen Weg den Straßenrand entlang und drehe ich mich kein einziges Mal um, denn ich glaube lieber, dass du mir nicht nachrennst als es zu wissen. Kindisch nennst du mich oft, aber wäre ich erwachsen wäre ich nicht ehrlich. Mein Körper ist haltlos, die Kälte draußen und in den Mienen der Menschen prallen an ihm ab wie meine Hoffnungen an dir. Rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, mein Lauftakt kommt mit dem meines Herzens nicht mit. Ich laufe an fossilgrauen Häuserfassaden entlang deren Farbton mich an den deiner Wohnungswände erinnert, blicke zur Seite und in Gesichter die alle dem deinen gleichen. Physisches Entkommen ist zwecklos, denn Gedankenflucht ist eine Utopie, je weiter meine Füße sich von dir wegbewegen, desto näher rückst du an mich heran. Auf einmal stehe ich wieder vor dem Café, mir wird klar, dass ich nur eine Runde um den Block gelaufen bin, meinen Kopf den habe ich bei dir gelassen. Kurz bleibe ich stehen, atme ein, atme aus, fühle, dass ich weg will. Aber jetzt ist mein Körper nicht mehr impulsiv, weil mein Kopf, den ich drinnen wiederfinde, vernünftig ist. Ich gehe zu dir und du sitzt noch immer im Lehnstuhl, als hättest du gar nicht bemerkt, dass ich fort war. Doch dann fragst du wo ich gewesen bin, und ich sage ich hätte nur frische Luft geschnappt, und dass unser Abschied gut sei, denn zu zweit einsam zu sein sei genauso einsam wie alleine einsam zu sein.
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