Aljaska geht.
Liebes Tagebuch,
heute schreiben wir den 10. September 2016.
Ich halte die neue Lebensweise meiner Mutter nicht mehr aus.
Sie fragt mich zwar immer, ob ich zu ihren neuen Freundinnen mitkommen, will aber ich weiß, die Frage nur rhetorisch gemeint ist.
Als meine Eltern noch zusammenlebten, spielte Religion keine große Rolle.
Nicht so wie jetzt.
Meine Mutter suchte, wie vermutlich jede , , normale Frau“ nach einer gescheiterten Ehe, etwas das ihr Leben wieder lebenswert machte, und das war in ihrem Fall die Religion.
Ihre neuen Freundinnen machen sogar den Eindruck, als ob sie einem Orden angehören würden.
Auch Ruben gibt mir zu denken, wenn er sagt:
, , Du musst dein Leben doch auch genießen.
Du bist in der besten Zeit deines Lebens.
Allein während dieses 7-wöchigen Auslandspraktikums hast du zig Parties verpasst.“
Es läuft zwischen uns nicht mehr so gut.
Was bedeutet es schon in der besten Zeit seines Lebens zu sein?
Ob es bedeutet, mit jedem Sex haben zu können oder jeden abweisen zu können?
Ich habe genauso viele Parties verpasst wie er Jobs, für die er niemals qualifiziert sein würde.
Das Marihuana zeigte seine Wirkung.
Ich konnte förmlich spüren, wie meine Synapsen langsamer wurden.
Wir sahen uns einen Moment an, wir kamen uns näher.
Ruben war auf mir, unter mir und wenig später in mir.
Wenig später, nach meinem Besuch bei Ruben, machte ich mich auf den Weg zu einer Freundin meiner Mutter, Ester.
Meine Mutter hatte ihr einiges aus meinem Leben erzählt.
Demnach lerne ich jeden Tag nach der Schule stundenlang, dann gehe ich trainieren und an meinen Wochenenden helfe ich bedürftigen Menschen.
Ich sah die Schule, wenn überhaupt, dann nur von außen, meine Nachmittage verbrachte ich schon lange nicht mehr mit Lernen oder Trainieren, und bedürftigen Menschen habe ich noch nie geholfen.
Ich wandte ich mich an Ester.
„Ich finde, dein Sohn sollte nächsten Samstag genau wie ich Missionsarbeit machen.“
Meine Mutter sah mich verunsichert an.
Das hat man davon, wenn man lügt.
„Ester, bitte, dein Sohn geht doch so oft Blut spenden.
Abgesehen davon geht er zur Schule, ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und geht regelmäßig ministrieren, er macht mehr als genug.“
„Vielleicht hast du recht, Mama.
Er verbringt genug Zeit in der Missionarsstellung.
Aber Blut spenden? Deswegen sind seine Arme zerstochen?
Ich dachte, der wahre Grund ist Meth.“
Ich sah, wie Mama die Röte ins Gesicht stieg.
Und außerdem: , , Als ob wir nicht genug Schicksalsschläge hatten, da musstest du mir mein Leben noch unerträglicher machen, indem du eine Fanatikerin wurdest.“
„Mein Glaube hat mir das Leben gerettet, ich hätte die Trennung von deinem Vater sonst nicht verkraftet.“
„Hast du dich jemals gefragt, ob ich in die Kirche gehen, beten oder einen Bibelkurs besuchen möchte?
“Nein! "
„Du zerstörst mir mein Leben!“
Mit diesen Worten verließ ich den Raum.
Ich knallte die Wohnungstür ins Schloss, ich blickte zurück, nur um sicher zu gehen, dass sie nicht aus den Angeln gefallen war.
Ich rannte los, weg von diesem Ort, weg von diesen Leuten.
Es war mehr als genug.
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