All die verfluchten Spiegel
Ich war spät dran, als ich an diesem Dienstag Morgen den Fehler machte, in den Spiegel zu schauen.
Geschieht mir ganz recht, aber ich hätte es ja auch nicht ewig ignorieren können.
„Was willst du?“, frage ich, aber es ist schwer ihr in die Augen zu sehen. Ich starre ins Waschbecken; mich bereitmachend für mehr als ich verarbeiten kann. Doch sie antwortet nicht gleich. Ungewöhnlich. Verunsichert blicke ich auf.
Das Untier von Reflexion lächelt.
Ein so verschmitztes Lächeln, wie um zu sagen „Wo fang ich nur an?“
Immer auf Blut und Tränen aus, zumindest mir gegenüber.
Schreckliches Abbild, nur hier um mich an alle Fehler zu erinnern. Jene, die ich bereits begangen hatte und für die nun alles Überdenken zu spät kam; sowie jene, bei denen ich zu große Angst habe, um ihnen auszuweichen, sie zu vermeiden. Wie blind laufe ich auf sie zu und blind wollte ich sein, als ich heute Morgen in den Spiegel sah. Manche Bilder bekommt man nie mehr aus dem Kopf. So ungreifbar wie sie für andere auch sein mögen, schwer wie ein trauriges Herz sind sie. Dunkel wie ein bewölkter Verstand. Schwerwiegend wie die Folgen einer vernebelten Sicht. Dennoch können Manche sie nicht einmal sehen.
Oft frage ich mich, ob es so besser ist. Ob Alles besser wäre. Wenn die im Spiegel einfach gehen würde. Ich weiß nur nicht, wie es ohne sie wäre. Wie meine Stimme wohl klingt, wenn ich nicht mit ihr streite? Wie meine Augen aussehen, wenn sie nicht rot und verweint sind. .
Warum sagt sie heute nichts? Ist es eine Falle? Ist das ihr Ziel? Dass ich mich in meinen eigenen Gedanken verwickle und ganz ohne ihre Hilfe den Verstand verliere? Vielleicht habe ich das schon lang. . Vielleicht rede ich nur deswegen mit ihr. .
Das Läuten meines Handys aus dem Nebenzimmer lässt mich zusammenzucken und unterbricht meine Gedanken. Ach ja, ich bin spät dran.
„Ich habe Besseres zu tun“, sage ich der Reflexion ins Gesicht. Es fühlt sich gut an. Ich fasse einen Entschluss.
„Geh. Geh und lass es einfach aussehen“
„Als wäre je etwas einfach gewesen“
„Lass es mich doch einfach akzeptieren, ich muss es doch tun, egal wie sehr es wehtut! Geh und lass mich weitermachen. Weitergehen. Weiter als letzte Woche, auch wenn vielleicht nicht weiter als gestern.
Es macht mir Angst, aber lass mich ich sein,
und bitte, geh“
Ich nehme den Spiegel ab und zerschlage ihn.
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