All you can eat
Hinter uns ziehen portionsweise Speisen auf dem Laufband vorbei, und wir zwei sitzen uns genau gegenüber. Running Sushi. Es geht wieder einmal um nichts, es geht um kleine Abscheulichkeiten.
„Ich mein ja nur. Döner ist ein schnelles und preisgünstiges Essen, das satt macht, und man kriegt es quasi an jeder Straßenecke.“
Bei dem Gedanken stochere ich gleich noch lustloser in meinem Teller herum. „Aber der Geruch – guten Appetit!“ Ich rolle mit den Augen. „Da wärm ich mir lieber Restln in der Mikrowelle auf.“
„Gibst du mir die Sojasauce?“, so erreicht der erhoffte Themenwechsel meine Ohren. Liebend gerne. Er gießt sich natürlich ein bisschen zu viel davon übers Essen, einfach zu schwungvoll. „Ups. Also zurück zu Sushi.“
Was für ein gewichtiges Wort, wenn ich es ausspreche. „Sushi. Genau“, als wäre es mein Fachgebiet.
„Lieben wir! Mh. . .“ Es folgt ein Prachtexemplar. „Gib dir das. . .“, sagt er und hält ein einzelnes Stück Maki hoch, das mit dem nächsten Happen ganz in seinem Mund verschwindet.
Dann provoziere ich einen schockierten Blick: „Ich bin eigentlich schon satt. Aber ich würde das gerne einmal zu Hause ausprobieren.“
„Mmmmh“, nuschelt er, „safe not!“ Ich verstehe, was er mit vollem Mund sagt, stelle mich aber blöd, damit er ordentlich schlucken und Luft holen muss.
„Ich komme hier nicht nur her, weil es Sushi gibt. Schau dir dieses lange, lange Laufband an, jeden neuen Teller, der vorbeikommt. Das übt so eine unglaubliche Faszination auf mich aus. Ich würde das nie daheim nachkochen – hier ist das Paradies.“ Ich schüttle langsam den Kopf, mein Paradies ist woanders. Vielleicht in der Karibik, am Strand. Ja, etwas Warmes könnte ich noch vertragen. Da bahnt sich praktischerweise auch schon etwas an, das wie Suppe aussieht. Ich greife hin und entscheide mich im letzten Moment doch für die California Roll dahinter. Auf dass es jetzt unkommentiert bleiben mag. Aber nein.
„Du magst es ja doch?“ – „Das habe ich nie bestritten.“ Ein toller Geschmack.
„Und du bist auch noch nicht satt. Du weißt es! Du liebst es.“
„Komm, lass es sein“, bitte ich mit leiser Stimme und schiebe den bis auf ein paar Sesamkörner leeren Teller weg. Daraufhin spüre ich schon die Hand meines Gegenübers auf der Schulter, so quer über den Tisch.
„Hey, hey, das ist doch ganz wunderbar. Wir könnten noch ein klitzekleines Dessert genießen.“ Was soll das sein, Versöhnlichkeit? Zumindest ein Versuch, oder aus seiner Sicht sogar Vernunft, wer würde sich denn in diesem Lokal etwas entgehen lassen wollen? „Oho, da vorne hinter dir kommt die gebackene Banane. Da bedienen wir uns. Willst du? Kann man sogar ganz gut mit Stäbchen essen. Ach, Mangomilchreis. . . Und Mochi!“
„Vielleicht. . . zum Teilen, hm?“
Er steht auf, atmet laut aus und lässt mich dann allein: „Okay. Du beginn schon einmal, dich haut sonst draußen der nächste Windstoß um. Ich gehe mich schnell erleichtern, dann kann es wirklich weitergehen.“
Und ich, mit mehreren Tellerchen voll duftender Desserts vor meiner Nase, ich seufze.
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