Alleine
Mein kleines Haus steht in Flammen. Bomben der Amerikaner haben es getroffen. Meine Eltern und drei Geschwister konnte ich nicht retten. Nun stehe ich hier. Ganz alleine. Ich habe niemanden. Meine ganze Familie ist tot. Verbrannt. Und jetzt? Was soll ich jetzt tun? Wieso mussten die Amerikaner genau auf unser Haus zielen. Nein, es gibt gar kein uns mehr. Es gibt nur noch mich. Mich ganz alleine. Nicht weinen. Nicht weinen. Nicht weinen. Plötzlich höre ich Schüsse hinter mir. Maschinengewähre. Fünf. Sechs. Sieben oder sogar mehr. Peng. Peng. Peng. Schnell! Weg von hier! Das hätten meine Eltern sicher auch gewollt.
Der kleine Transporter ist voller Menschen. Mir ist schlecht. Nicht umfallen. Du darfst nicht zittern. Das zeigt Schwäche. Stark sein! Alles wird gut werden. Mach Papa stolz! Das wolltest du. Tue es für deine Familie. Also halte durch. Atme. Atme. Atme. Die Türen gehen auf und ein großer Mann mit breiten Schultern schreit uns an. Ich verstehe kein Wort, folge aber den Anderen nach draußen. Vor mir stehen zwei kleine Kinder. Wo sind deren Eltern? Ein Soldat zieht mich an den übrigen Leuten vorbei und redet aggressiv auf mich ein. Ich versuche ihn zu verstehen und ihm zu sagen, was ich denke. Doch er hört nicht auf mich. Sein Griff wird immer stärker und seine Schritte immer lauter. Trap. Trap. Trap.
Er setzt mich in ein Auto und fährt los. Was macht er mit mir? Kann ich ihm vertrauen? Ich schaue aus dem Fenster und sehe Felder. Maisfelder. Noch nie habe ich so viel Landwirtschaft gesehen. Bauern fahren mit Traktoren über das Feld und arbeiten. Ist das eine Frau? Seit wann dürfen Frauen arbeiten? Sie trägt nicht einmal ein Kopftuch. Ist ihr Mann nicht sauer, wenn sie es nicht trägt? Glaubt sie nicht an Gott?
Die Stadt ist belebt. Ganz anders als zu Hause. Es fahren ganz viele Autos, Busse, Motorräder und Lastwägen. Die Menschen sehen glücklich aus und scheinen ihr Leben zu genießen. Keine Angst. Keine Waffen. Keine Schüsse. Keine Tränen. Keine leeren Straßen. Kein Krieg.
Überall gibt es Restaurants und kleine Cafes am Straßenrand. Nur schön gepflegte Gassen und Häuser, nichts ist zerstört. Nirgends liegen verwundete Menschen oder Leichen am Boden.
Das Auto stoppt abrupt. Der Soldat öffnet mir die Tür und deutet auf eine Dame mit langen braunen Haaren. Scheint hier üblich zu sein, kein Kopftuch zu tragen. Es riecht nach Blumen und frischen Brötchen. Erst jetzt merke ich, wie hungrig ich bin. Seit mehreren Wochen habe ich nicht wirklich gegessen. Die Dame führt mich in einen großen Raum mit vielen Tischen. Ich setzte mich zu einer Gruppe von Jugendlichen. Wir sprechen verschiedene Sprachen, trotzdem verstehen wir uns nur durch Blicke. Sie haben Angst und wissen nicht, wem sie trauen können. Ich beginne zu essen. Schmeckt ganz anders als bei Mama. Keine orientalischen Gewürze oder Kräuter. Nicht viel Fleisch, sondern Gemüse und Kartoffelbrei. Auch wenn alles so anders ist als zu Hause. Ich fühle mich hier sicher und beschützt.
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