Alles wird gut
Auf einmal lese ich es: Es wird wie jede andere Nachricht auf meinem Handy angezeigt, und für viele ist es genau das. Eine Nachricht, die man sieht, über die man kurz den Kopf schüttelt und dann mit seiner Arbeit weitermacht. Doch nicht für mich. Diese Botschaft zerstört meine Zukunft. Alles, wofür ich jahrelang gekämpft habe, fort. Ich muss mich setzen. Und dann sind sie da. Die Ängste, die schrecklichen Gedanken bahnen sich ihren Weg in meinen Kopf, ich bin zu geschockt, um sie zu stoppen. Mein ganzes Leben lang habe ich gekämpft. Immer wieder bin ich hingefallen. So viele Rückschläge auf meinem Weg. Jedes Mal bin ich wieder aufgestanden. Ich kann nicht mehr. Es ist unmöglich, meine Tränen zurückzuhalten. Warum mache ich noch weiter? Warum hört mich keiner? Holt mich aus diesem Elend, dass sich Leben nennt, heraus! Ich schnappe nach Luft. Nein, so darf ich nicht denken. Aber wenn ich mich genau so fühle? Ich will, dass es endlich endet. „Wenn mich jemand hört, hilf mir!“, schreie ich tränenüberströmt, als ob es helfen würde. Als ob ich nicht schon so oft nach Hilfe geschriehen hätte. Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. „Wer bist du?“, frage ich. „Ich bin du in 2 Jahren“, erklärt die Stimme hinter mir sanft.
„In 2 Jahren?“ Ich kann es nicht glauben. Sind meine Gebete erhört worden? Werde ich endlich erlöst? „Warum bist du hier?“, frage ich. Die Frau antwortet: „Ich will, dass du weitermachst.“ „Aber warum? Es ist nutzlos. Niemand hilft mir. Niemand hört mir zu. Ich bin am Ende meiner Kräfte.“ „Alles wird gut.“ Ein Satz, der mir schon so oft gesagt wurde. Niemand sagt mir wie oder was ich machen kann. Die Worte sind leer. Meine Wut lässt sich nicht mehr halten. „Wie kann alles gut werden? Ich warte nur noch, bis mich jemand von meinem Leid erlöst! Alle Hoffnungen, alle Gebete, ich habe alles schon vor so langer Zeit ausgesprochen. Keiner hört mich. Die Linie ist überschritten.“ Die Frau schweigt. Erst nach mehreren Minuten traut sie sich zu sprechen: „Tue es nicht. Alles wird gut.“ Schon wieder das Gleiche, leere Gesäusel. Was soll ich nicht tun? Bevor ich mich weiter fragen kann, spricht es weiter: „Ich muss gehen, doch glaub mir: Es wird dir wieder besser gehen. Alles wird gut.“ Gut, ich werde dem Leben eine letzte Chance geben. Wenn schon mein zukünftiges Ich kommt, um mir das zu sagen.
Die ersten Wochen nach dem Besuch sind schwerer als die vorherige, doch jedes Mal, wenn ich aufgeben will, höre ich eine Stimme in meinem Kopf, die mir sagt: „Tue es nicht. Alles wird gut“. Es war schwer, meinem Therapeuten zu erklären, dass mich mein zukünftiges Ich besucht hat, doch zum ersten Mal seit Jahren rattert er mir nicht dieselbe Geschichte vor, sondern hilft mir wirklich. Die Wochen vergehen und ich spüre zum ersten Mal seit langem wieder Freude. Nach ein paar Monaten kann ich wieder lachen, wie ich es früher so oft getan habe. Monat für Monat wird es immer besser und nach zwei Jahren merke ich: Alles ist gut geworden.
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