Alltagsschweigen
Die Sonne fällt langsam und zerläuft auf dem Asphalt
Von Regen umhüllte Ahornblätter in den Boden eingestampft
Langsam versteckend in der anfänglichen Nacht
Vertraute Gassen, sie kennen dich schon Kilometer lang
Eine Frau eingeengt am Straßenrand, von einer Silhouette, die ballt die Hand
Eine Faust auch du formend betrachtest das Geschehen, ein Schritt nach vorne und wieder zurück
Zweifel überragen, Unsicherheiten die plagen
Gewiss die Nacht ist sicher, doch nicht für sie
Blut tropfend, so rot wie das Ahornblatt und ein weiteres fiel
Am Boden kauernd, wimmernd
Sie vernimmt nicht das Geräusch deiner schwarzen Stiefel, wie du an ihr vorbei gehst
Hintergehst die Gasse
„Wäre sie mutig wäre das nicht passiert“
Mondschein vermischt mit Regenwasser fließt die Fensterscheibe der S-Bahn herunter
Ein junger Mann links gegenüber, seine Haut in der Farbe deines Lieblingskaffees
Umzingelt von kreidebleichen Gestalten, die verspotten seine Kultur und packen ihn am Kragen
Dein Mund leicht öffnend um letztendlich auszuatmen
Vorbei an der Ahorn-Allee
Dein Verhalten so apathisch, es spiegelt sich in jedermann
Die Gestalten verschwinden in der Nacht
Zurück bleibt der junge Mann
Sein Blick gerichtet auf das Ahornblatt klebend an deinen schwarzen Stiefeln
Beschämt hältst du das schweigen
„Wäre er mutig hätte er sich gewehrt“
Es ist schon spät, das Kind muss schlafen
Doch es ist übersät mit kleinen Narben und geschmückt mit blauen Flecken,
Die die Mutter probiert zu übersehen und
der Vater in der Rechten die sanfte Kinderhand, in der Linken die halbleere Flasche Weinbrand
Ängstigend, drohend, versichernd
Hinter der geschlossenen Tür wird die Haut wieder zucken und das schreien nach außen ungehört verstummen
Die Ahornblätter vor den Füßen zählend, es hat verstanden
Ein weiteres in den Boden einstampfend,
Passierst du die beiden Passanten, hörst noch die Schritte, drehst dich um, vorbei.
So verschwand die Unschuld in eines der dunklen Gassen, die nie beleuchtet wurden
Doch wen kümmert es, man geht ja bestenfalls nur an ihnen vorbei
Dein Gewissen beruhigend „eines Tages wird er mutig sein“
Im Bett wälzend, es ist noch dunkler als die Nacht
Blitze schlagen ein in deinen Kopf, bekannte Gesichter vor Augen, sie scheinen wie Geister
Sie poltern, behaupten „du musstest nicht leiden“
Um so mehr tust du es jetzt
Schließe die Augen und wache wieder auf
Die Frau geht nicht mehr raus, das Kind wird nach wie vor missbraucht
Der Mann definiert sich im Land seiner Geburt als ungewollt
Und du tust weiterhin so als seien deine Sinne eingezäunt
Deine Stiefel putzend bemerkst du die Ahornblätter eingenistet in deiner Sohle
Zuvor umhüllt von Regen, eingestampft am Boden klebend, trägst du sie nun mit dir
In den Adern jedes Blattes liest du die Not gezeichnet durch die Einsamkeit jener die du zurück ließt
Doch würden sie dich jetzt sehen
verzweifelt eingefangen in deiner Reue
hätten sie gesagt
„Wärst du mutig wäre ich es auch“
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:


















Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX