Als es uns zu bunt wurde
Es war 18: 30 an einem Dienstagabend und ich hatte meinen Blick nun seit exakt drei Tagen, vier Stunden und 57 Minuten nicht vom Bildschirm abgewandt, als plötzlich alles schwarz wurde.
Natürlich waren Stromausfälle keine Seltenheit. Unsere Wissenschaft mochte vielleicht fortgeschritten sein, niemals aber konnte sie Schritt halten mit den Mengen und Massen an Menschen, die pausenlos den Strom aus den Leitungen saugten. Normalerweise dauerten solche Blackouts nicht lange; eine Minute, allerhöchstens zwei, dann leuchteten die etlichen Bildschirme auf und die Welt wurde wieder hell. Ich lehnte mich also zurück (war meine Rückenlehne schon immer so unbequem gewesen? ) und wartete. Was blieb mir auch sonst übrig?
Die Welt, in der ich aufgewachsen bin, ist eine grelle. Hohe Bildqualität und Megapixel sorgen dafür, dass meine Kindheit in extreme Helligkeit und extreme Farben getaucht war; selbst die Lautstärke schien extrem. Alles, alles um mich herum war stets zu 150% aufgedreht. Solche Dinge fallen einem immer erst viel später auf; man kann es vergleichen mit einem Nachbarn, der den ganzen Tag seinen Rasen mäht oder Staub saugt und dadurch ein unaufhörliches Brummen erzeugt. Dieses Brummen mag zwar laut sein, ist aber gleichzeitig so unterschwellig, dass einem erst beim Ausschalten des Gerätes auffällt wie aufdringlich es doch gewesen war.
Ähnlich verhält es sich mit Sinnesüberreizung. Das ständige Blitzen und Leuchten und Surren und Kreischen fällt uns erst auf, wenn es nicht mehr da ist.
Dieser Stromausfall dauerte länger als die davor. Die Dunkelheit, die nun herrschte (wegen all der Bildschirme verzichtete man inzwischen gänzlich auf Lampen) hatte mich völlig verschluckt. Wie leise es doch war. Die Stille schien sich wie Watte auf meine Ohren zu legen.
Das Fehlen von etwas, irgendetwas, das mein Gehirn stimulieren könnte, begann mich unruhig zu machen. Ich rutschte in meinem Stuhl auf und ab und sah mich um, ein wenig hilflos; was sollte ich mit mir selbst machen? Die ständigen Impulse haben uns zwar zu mehr Produktivität angeregt, doch was bringt uns Produktivität, wenn wir es nicht mehr schaffen, gar nichts zu machen?
Die Wahrheit ist doch, dass wir die Grenze von problematisch zu einem Problem schon lange überschritten haben. Wir Menschen haben die schlechte Angewohnheit, stets nach dem Glück zu suchen - übersehen tun wir dabei die tatsächlichen Konsequenzen unseres Handelns. Wir tun etwas, es gefällt uns, wir tun es immer weiter und mit einem Mal sehen wir uns gefangen in einem Teufelskreis, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt. Wie sollen wir –
Mit einem leisen Surren startete der Computer, die Geräusche ertönten wieder und beinahe automatisch begann ich zu tippen. All Gedachtes ist Vergessen.
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