Ampelpärchen
Der Himmel war grau. Die Sterne waren hinter dicken Wolken. Das Licht der Stadt beleuchtete kraftlos die weiche Watte. Grüne Blätter in der Finsternis nur ebenschwarze Förmchen. Sie bewegten sich leicht, als wehte der Wind. Schwarze Blätter führten zu schwarzen Stämmen, und zum schwarzen Boden, der im Schatten der Krone nicht mehr von der Straßenlampe beleuchtet wurde. Es war kalt in der Spätsommernacht, und Philomena hatte keine Strümpfe oder Jacke an. Die Haare auf ihrer Beinen standen himmelwärts. Sie rieb ihre Arme leicht zitternd. Gegen die Kälte hilft nur Singen, und so summte die ein Lied des Poeten aus 1989.
Sie spazierte langsam nach vorne, als wäre es ihr ja nicht eilig. Vor ihr schwebte das nach dem Schlaf sehnende Bild einer Stadt, die, so groß und voll, doch ihre kleine Welt war. Von der Ferne sah sie es schon das rote Licht, die rote Ampel. Sie stellte sich dicht neben den Ampelpost. Die Straße vor ihr war leer, und die Zebrastreifen auf dem Asphalt spielten mit ihrem müden Blick. Sie ging im Gedanken über die Straße, und als sie wieder hinaufschaute, trafen ihre Augen auf welche von elegant geschwungenen Lidern gedeckte.
Philomena sagte und tat nichts. Ass auch nicht. Sie hätte über die Straße laufen können, doch die Ampel war rot, und sie blieb stehen. Er auch. Sie bewegte sich nicht. Er auch nicht. Sie musterte den Mann gegenüber. Er war auch nicht dem Wetter passend angezogen, aber ein Nordwestdeutscher friert nie. Er schaute sie auch ohne Rührung an.
Langsam, lange überlegt, er hob seine Hand, und winkte ihr. Sie, wie immer, sein Spiegelbild. Ein Blinzeln war das Ganze. Wie die Vergangenheit. Als sie noch mutig und unerfahren war. Als sie noch an einen zauberhaften Traum glaubte. Das Wort Traum war ihm aber fremd. Sie wollte die Hauptfigur einer schönen Geschichte. Er war aber nur ein Pokerspieler, der manche Menschen doch nicht verstehen konnte.
Sie drehte den Kopf zur Seite, brach den Blickkontakt. Doch gegen ihren Willen, wanderten ihre Augen wieder in seine Richtung. Er beobachtete den Boden. Bis er wieder hinaufblickte. Sie schaute weg, bis sie sicher war, nicht wahrgenommen zu sein. Sie überlegte alles, spielte die Szenen von lange her im Kopf ab. Sie wusste nicht, was sie jetzt fühlen soll. Sie dachte an alles. Und woran dachte er? Sein Blick war so unlesbar, wie immer. Dachte er überhaupt nach? Dieser Frage Schicksal war es, unbeantwortet zu bleiben.
Ein Auto rastete auf der leeren Straße zwischen ihnen vorbei.
Das Ampelpärchen wechselte zu grün. Philomena hastete schnell voran, Augen auf den Boden gerichtet. Nur soll sie nicht die Ignorierte sein. Eine Geschichte schreibt man nur einmal. Sie schaute nicht mehr zurück.
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