an selbstvon Milena Dörfler
du lässt deinen rechten zeigefinger langsam in der instantsuppe versinken
fast so langsam als hättest du plötzlich zeit
als würde da nicht das wort instant stehen weil du alles sehr schnell machen musst
auch die suppe
du lässt deine raue haut durch versalzenen chemiesaft schwimmen
als wärst du ein kleines kind das mich anschielt aus provokanten kulleraugen
und darauf wartet dass ich dir sage
hey mit dem essen spielt man nicht
ich muss dran denken
wie schuppig deine hände sind weil die fettcreme zwar teuer aber nie wirklich glättend ist und deine haut sich anfühlt wie raspelscharfes schleifpapier
und ich muss beinahe ein bisschen erschrecken weil mir einfällt
kleine farblose hautfetzen lösen sich jetzt von deinem rechten zeigefinger in den stechenden instant teich der die küche mit feuchtem currydunst durchflutet
und ich muss voll entsetzen realisieren
dass du gleich deine schwere blasstrockene hülle auslöffeln wirst
deine eigenen rosaweißen hautfetzen von außen nach innen verdauen ohne zurückzuschauen
mir wird klar voll grauen
du bist dabei einen teil deiner eigenen person in diese instantportion und ohne jede emotion oder innere diskussion mit kindischem hohn auf das spiegelnd helle metall zu gießen
welch überraschend verdrehte situation
eine beinahe erwähnenswert skurrile
alltagssensation
ich muss daran denken
dass dein verhalten nicht nur durch das unerklärliche instantsuppen bad deines rechten zeigefingers seit einiger zeit in beunruhigendem ausmaß von der trägen norm abweicht
mir fällt ein
neuerdings tust du kontextlos sachen über die wir beide zuerst lachen
die mir in schlaflosen nächten dann seltenster weise
doch gravierend sorgen machen
ich muss gestehen
fast könnte man meinen du hättest den verstand verloren
denn immer öfter
setzt du dich in die eingestaubte badewanne
und lässt kein warmes wasser ein
auch kein kaltes
und wenn ich dich dann frage was dich zu solch fragwürdigen handlungen verleitet
gibst du mir keine hörbare antwort
auch keine stille
du rührst in leeren töpfen und gehst im gewitter tanzen
ohne dicken regenschutz
auch ohne dünnen
du starrst auf leere wände und machst dich über ihre bedeutungslose existenz lustig
denn sie sind grauweiß und nichts als ein konstrukt der abgrenzung
sagst du
und malst dir alle zehen bunt an
auch die finger und die ohren
du lachst und weinst und bist ganz laut
als gäbe es kein morgen
auch kein heute
du verhältst dich als wäre die welt bunt und leicht
auch frei
du siehst
ich betrachte dich täglich
wie du ratlos versuchst dem stress zu entkommen und natürlich ist mir klar deshalb bist du so versonnen
dein gedankengut benommen
dein bewusstsein ganz verschwommen
und du als person
durch und durch mitgenommen
abschließend kann ich nur voll unruhe bestätigen
die situation ist kritisch und die sorge um
deinen
meinen
unseren
wohlstand
ist groß
hochachtungsvoll auch herzlich
dein du
auch selbst
der stift rutscht langsam aus meiner krampfenden hand
und durch das küchenfenster fällt mir die schwere nacht auf den kopf
ich lecke sanft und leise salzige chemie von raspelscharfer haut
von rauen speichelfingern die hektisch das beschriebene papier glattstreichen und blauschwarze tintenzeilen entlanggleiten
meine worte die in den grellen küchenleuchten noch schillern
die lichter verfließen vor meinen augen zu brei
bevor ich mich in meinen kopf fallen lasse
und eine letzte fussnote verfasse:
die chance einen platz in eurer krawattenwelt zu finden
spüre ich zähflüssig
wie alten honig
entschwinden
menschen wie mich hat niemand bestellt
verstands verlierer und realitäten verzierer
denen regelmäßig vieles nicht gefällt
ich streiche
wohlstand
durch
und schreibe stattdessen
funktionsstand
schmunzle durch tränen und ziehe den schlussstrich
lasse meinen rechten zeigefinger durch die suppe flirren
und lache über meinen lustigen kopf
durch den so viele
bunte
mutige
gedanken schwirren
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