Angst
Noch 16 Sekunden erklang die blecherne, roboterartige Stimme aus dem metallenen Mund des Jahrmarktmagiers. „16 Sekunden?“ Verwirrt rüttelte Martin an der Kirmesattraktion. „Was heißt das“, stieß er zwischen zusammengekniffenen Zähnen hervor. „Was ist in 16 Sekunden?“ Er wurde lauter. Seine Adern begannen zu pochen und seine Schläfen brannten. Ein Stromschlag, der von der blechernen Box ausging, durchfuhr ihn. Verwirrt stolperte er nach hinten, fiel über einen der zahlreichen Steine, verlor das Gleichgewicht und schlug rücklings mit seinem Kopf auf einen Stein. Um ihn herum wurde alles schwarz. Als er seine Lider wieder aufschlug, dämmerte es bereits. Benommen richtete er sich auf und strich sich über den Hinterkopf. Er fühlte etwas Klebriges, warmes. Blut. Er blutete. Angeekelt zog er eine Grimasse. Er hasste Blut. Das war schon so, seit er klein war. Niemand wusste, woher das rührte, nicht mal Martin selbst. Aber Blut war seine Schwäche. Sein Kryptonit sozusagen. Er rappelte sich auf, klopfte seine schwarze, vor Dreck starre Cargo Hose ab und richtete sich auf. Verwirrt blickte er sich um. Der eben noch strahlend blaue Himmel war einer schweren Wolkendecke gewichen. Die Luft war drückend heiß. Jeder Atemzug kostete ihn all seine Kraft. Martin ließ seinen Blick über die Kirmes-Attraktionen schweifen und hielt inne. Etwa 50 Meter entfernt, versteckt hinter einem Karussell hockte eine zusammengekrümmte, knochige Gestalt mit dürren, messerscharfen Fingern. Verängstigt trat Martin einen Schritt zurück. Ein kaum hörbares Knacken ertönte. Starr vor Schreck hielt er mitten in seiner Bewegung inne. Den Blick nach vorne gerichtet versuchte er einen Blick auf die Gestalt zu erhaschen. Doch diese war verschwunden. Ein röchelnder Atem ertönte ganz nah an seinem Ohr und er wirbelte um seine eigene Achse. Da stand es. Von nahem war es noch viel hässlicher. Die triefenden blutunterlaufenen Augen stierten ihm direkt in die Seele. Er fühlte sich nicht im Stande sich zu bewegen. Er fühlte sich wie gefangen. Das Wesen hatte ihn in seinem Bann. „Verschwinde,“ flüsterte Martin stumm. „Geh.“ Die Augen der Gestalt zuckten. „Geh bitte“, er ließ nicht locker. Verzweifelt versuchte er seinen Körper unter Kontrolle zu bekommen, doch der gehorchte nicht. Das Wesen entblößte eine Reihe messerscharfer, silberner Zähne. Er straffte seine Schultern. „Geh“, brüllte er mit all seiner Kraft. „Geh bitte.“ Bestimmt und ohne Furcht in der Stimme. Ein letztes Mal musterte ihn das Wesen. Dann trottete es davon.
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