Angst vor dem Vertrauten
Ein Wald, ein düsterer Forst. Der Himmel war bedeckt mit Wolken, sodass die Wiesenblumen nicht strahlten. Die Steine, die das Schloss umgaben, waren feucht und rutschig. Das Haus aber ragte selbst an diesem düsteren Tag prunkvoll über das ganze Land, das es umgab. Angsteinflößend mächtig stand es da, doch auch alleine. Regelrecht einsam, nur Wald und Felder um es herum. Abgegrenzt von diesen mit einem Zaun, der er umschloss.
Wälder und Felder, das war es, was sie immerzu sah, wie weit die Welt doch war und dennoch kannte sie nur das. Das Haus ihrer Eltern, den Garten ihrer Mutter und die Felder und Wälder ihres Vaters. Nie war sie über die Grenzen des Landes ihres Vaters getreten. Angst hielt sie zurück, Angst davor sich gegen ihre Eltern zu bäumen, Angst davor das Neue nicht genießen zu können. Doch mit der Angst die sie verspürte, wenn sie aus dem Fenster blickte und sich ausmalte, was sein könnte, kam auch die Neugierde. Was war dort? Wer war dort? Wer konnte sie dort sein?
So sehr drängte sie ihr Inneres dazu zu laufen, zu erkunden, die Sicherheit zu verlassen, doch der Mut dazu fehlte ihr bei jedem Mal. Zu viel Angst vor der Trauer und dem Zorn des Vaters hatte sie. Zu viel Furcht vor der Enttäuschung, welche in dem Gesicht ihrer Mutter zu sehn sein würd. Die Eltern wollten sie beschützen, abschotten von all dem vermeindlich Bösen. Aber je mehr sie dies taten und sich darauf fixierten, desto mehr übersahen sie wie ihre Tochter langsam verwelkte, wie eine Blume, die man vergas zu gießen. Denn mit der Zeit fing ihre Tochter an sich vor dem Vertrauten zu fürchten und es zu verabscheuen. Jeden Atemzug den sie in dem Schloss tat, schnürte ihr die Kehle enger, jedes Geräusch, dass sie hörte, wenn jemand durch die Gänge wanderte, machte sie wahnsinnig. So saß sie am Fenster und spähte in die Welt, wundernd wie es wohl sein mochte, dort zu sein, wo sie nicht war.
Sie dachte an die Erdrückung, die sie verspürte. Es war ein angsteinflößendes Gefühl. Doch dieses Gefühl formte sich langsam in Eintschlossenheit, in den Drang sie selbst sein zu wollen.
Und mit einem Mal kam ihr der Mut, der Wille sich loszureißen, das Vertrauen in sich selbst. Mit einem Mal wollte sie weg, weg von ihrem Vater, weg von ihrer Mutter, weg von allem fremdlich Vertrauten. Mit einem Mal strebte sie nach Freiheit, nach der Erfüllung ihrer Neugier.
Somit lief sie durch den Garten, über die Wiesen und Felder, über die Straßen. In die Wälder, in denen ihr Vater es pflegte zu Jagen. Auch sie jagte heute, doch nicht so wie früher ihren Mut, heute jagte sie ihre Bestimmung, sie jagte sich selbst.
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