Antimanicum
Er wusste bis zum Ende hin nicht, was ihn je bei ihnen allen gehalten hatte. Die Hoffnung vielleicht, es immer wieder zu versuchen; es konnten ja nicht alle gleich sein. Die Sucht, die war es wohl – doch wonach? Nach Liebe vermutlich nicht, hatte er sie doch nie gekannt.
Da war die eine, die er wohl nie hätte zufrieden stellen können. Sie hatte sein ganzes Herz, seine ganze Wärme, seine ganze Liebe, alles, was er hatte geben können, alles bekam sie. Doch es reichte ihr nicht. Mal war es ihr zu viel, mal war es ihr zu wenig. Und sie nahm das Alles, und ging, und kam nicht wieder.
Die Zweite war da. Mehr war sie nicht, mehr hatte sie nicht, als ihre bloße Existenz. Er erhoffte sich mehr, vielleicht zu viel, sie könne doch sein Leiden sehen, ihn heilen, ihm helfen. Doch zeigte sie wenig Interesse daran. Stattdessen ließ sie bloß die Zeit vergehen, dieses endlose Etwas, ließ in treiben im Nichts seiner Vergangenheit. Und sein Herz wurde schwächer, und er mit ihm, und als sie in dieser verlorenen Liebe verblasst war, spürte er den Verlust kaum noch. Doch seine Hoffnung, die nun an Torheit grenzte, blieb.
Die Dritte erst bemerkte seine Leiden, spürte den Schmerz in seinem Herzen, den er schon lange zu vergessen versucht hatte. Doch Vergessen war keine Lösung, holte ihn seine Vergangenheit doch immer wieder ein. Sie meinte, sie könne es gut machen, ihn wieder zusammensetzen. Und sie brachte alles hervor – das Leiden, die Angst, den Kummer, und irgendwann, nach langer Zeit, wieder die Wärme, wieder die Liebe in diesem Herzen, von dem nur noch ein Stück übrig geblieben war. Sie hatte nicht vor, es wieder zu zerstören. So gab sie weiter, alles was sie hatte, bis da irgendwann ein Nichts war, das er nicht zu füllen vermochte. Und so fanden Lügen den Weg in ihre Worte, eine andere Liebe beschützend, die weniger verlangte, die sie nichts von der Realität spüren ließ. Sie genoss es, die Ferne zu ihren Problemen, zu ihm. Mit der Zeit gefiel ihr sein Fehlen zu sehr, und er schien die Lügen von ihren Augen ablesen zu können. Es ließe sich besser leben ohne sie, doch nannte sie ihm nie den Grund weshalb. Und sie ging, überließ ihn schwer seiner selbst, und riss sein Herz wieder auf.
Er meinte, inzwischen hätte er sich doch daran gewöhnt haben müssen.
Und irgendwann war da die Vierte. Sie war unauffällig, schlich sich langsam in sein Herz, ehe er sie bemerken konnte. Er brauchte niemanden außer ihr, nichts außer der Leere, die sie ihm gab. Was brachte ihm Hoffnung, wenn sie enttäuscht werden konnte; was Liebe, wenn sie nur mit Schmerzen endete. Alle verließen ihn, alles hatte ihn verlassen. Er brauchte weder Liebe noch Wärme, hatte genug davon im Nichts, das die Letzte ihm geschenkt hatte.
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