April
Seine Füße glitten über die kalten Steine wie über Eis. Hätte es Zeugen dieses Ereignisses gegeben, so würden sie bemerken, dass seine Zehen sich bereits blau verfärbt hatten, doch dort war niemand außer seinem eigenen Schatten, verzerrt und stets beobachtend auf dem unebenen Fels. Die Spuren, die das Leben auf seinem schmalen Körper hinterlassen hatte, waren unter einer schwarzen Jeans und einem dunklen Pullover verborgen, der sich durch den Wind eng an ihn schmiegte, als wollte er ihn aufhalten. Unbeirrt jedoch in seinem Vorhaben schlich er vorwärts, seine Füße taub gegen die raue Kälte, und in einer Trance, als würde jeder Schritt sein letzter sein. Vielleicht war mit dem nächsten alles vorbei.
Er hörte die Wellen, die sich mit gewaltiger Macht gegen die Steinwand warfen, bloß um noch im selben Moment in tausende funkelnde Splitter zu zerbersten.
Ein humorloses Lachen kroch über seine Lippen, ein Lachen, das seine stechenden Augen eiskalt lies. Er lachte über den grotesken Humor, die lächerliche Metapher, mit der die Flut sein Leben darstellte: Versucht, immer und immer wieder, und immer und immer wieder gegen eine harte, unnachgiebige Wand geprallt, bis er taub war gegenüber der Welt.
Es spielte keine Rolle mehr.
Er hatte es versucht, immer wieder, immer wieder. Versucht, Geschlagen. Versucht. Geschlagen. Versucht. Besiegt.
Er hatte genug versucht. Es war genug.
Sie war gewesen wie eine Sonne für ihn, doch es war eine Sonne inmitten des Aprils gewesen, so launisch und wechselhaft wie das Meer zu seinen Füßen. Man hatte aus dem Fenster gesehen, und der strahlendste Sonnenschein hatte den Himmel golden gefärbt. Dann tat man, was man für gewöhnlich tat, und wenn man eine Minute später aus dem Fenster gesehen hatte, fand man sich in der Mitte eines wütenden Sturms wieder. Und trotzdem mochte man den April, er gehörte einfach dazu. Aber am Ende musste jeder April vergehen, und dieser April würde nie wiederkehren, denn sie war nicht länger hier, und sie würde nie zurückkommen.
Er schloss die Augen, ein tiefer, eisiger Atemzug, wie harte Wellen an einem kalten Apriltag. Er träumte vom Fliegen.
Und dann ließ er sich fallen.
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