Asphalt
Meinen Blick, gesenkt auf den grauen Asphalt, laufe ich durch die Straßen. Ab und zu schnellt mein Kopf kurz hoch, und ich suche, sehe aber nur Häuser und Menschen, die ihn offenbar auch verloren haben, sonst wären sie nicht hier. Einen Anblick, den ich nicht ertragen kann, weshalb ich wieder nach unten schaue. Auf den Asphalt, durch den einst gelber Löwenzahn hindurch brach.
Ein paar Straßen weiter bleibe ich stehen. Alles in mir schmerzt und ich will stehen bleiben, aufgeben.
Ein Paar schwarzer Schuhe kommen in mein Blickfeld und ich bewege mich langsam darauf zu. Will dem Rechten von ihnen erzählen, dass ich ihn vermisse. Und dem Linken, wie schwer mir alles ohne ihn fällt- doch ich darf nicht, denn sie kommt.
„Zeige ihn mir“, flehe ich den harten Asphalt immer wieder an, aber wie soll ich eine Antwort bekommen, wenn meinem Mund kein Ton entspringt. So laufe ich weiter, stumm und blind vor Sehnsucht. Sie greift auf ihrem Weg zu mir um sich und mit jedem, den sie berührt, werde ich langsamer. Jetzt holt sie mich ein und ihr Schatten fällt über mich. Im nächsten Moment schnürt sie mir meine Kehle zu, flüstert mir boshaft ins Ohr. Verspottet mich mit ihren großen Augen. Will, nein, kann es nicht ertragen und schließe die Augen- wie alle. Sie kickt mir die Beine weg und schon falle ich. Auf den kalten Asphalt.
Wie ein Flüstern höre ich seine Gegenwart noch immer und flüchte mich zu unseren Erinnerungen, als der Asphalt noch löchrig war. Es tut weh, zu wissen, dass es zu dieser Zeit wohl das letzte Mal war, als er mir hoch geholfen und mich in seine Arme geschlossen hat. Meine Wunden verbunden, den Staub von meinen Kleidern geklopft. Mir dieses selbstbewusste Lächeln geschenkt hat, jedes Mal, wenn sie mich eigentlich schon verschlungen hatte. Heiße Tränen rollen mir die Wangen hinab und als ich die Augen wieder öffne, sehe ich sie auf den perfekten Asphalt fallen, wo sie sofort aufgesogen werden. Fast wie bei Regen früher, nur dass wir da um Blumen herum tanzten. Ich glaubte- nein, ich wusste, dass er immer bei mir sein wird. Und das gibt mir Kraft, denn er hatte mir gezeigt, was ihn ausmacht.
Langsam spanne ich meine Muskeln an und lege meine Hände auf den harten Asphalt. Stemme mich vom Boden ab und stehe auf. Spüre sie zurückweichen, wie das Meer bei Ebbe, bis ich stehe. Doch das reicht nicht! Bedächtig hebe ich meinen Kopf, spüre, wie die Sonne meine Tränen trocknet. Dann drehe ich mich um und schaue ihr in die Augen. Sehe sie verschwinden, immer weiter, bis sie weg ist.
Ruhig blicke ich mich um und erblicke Menschen, die vom Asphalt aufsehen. Sich zu mir drehen- ungläubig, weil sie ihn nur aus Märchen kennen. Der Geschmack von Worten auf meiner Zunge erfüllen mich mit Freude und ich forme sie vorsichtig mit meinen Lippen, gebe ihnen ihren wundervollen Klang. Die Worte werden vom Wind davongetragen und mit ihnen bestimmt auch ein kleiner Löwenzahnsamen, der sich in den feuchten Asphalt niederlässt, keimt und durchbricht. Trotz des Asphalts.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX