Auf dem Heimweg
Ohne auf meine Umgebung zu achten, überquere ich die Kreuzung und erreiche die gegenüberliegende Straßenseite. Vorbei am Thalia, der Martin Luther Kirche und gefühlt hunderttausend Tauben die mir vor den Füßen herumfliegen. Irgendwann werde ich noch unabsichtlich eine niedertreten. Auch die anderen Menschen drängen sich dicht an mir vorbei. Jeder mit Einkaufstüten in den Händen oder einer riesigen, Rückenschmerzen verursachenden Schultasche auf dem Rücken. So eine wie ich sie früher selber getragen habe. In der Seitentasche eines Rucksackes sehe ich eine Jausenbox und werde daran erinnert, dass ich seit einer gefühlten Ewigkeit nichts mehr gegessen habe. Vielleicht sind es auch nur zwei Stunden gewesen aber Hunger habe ich auf jeden Fall.
In meinem Kopf den Zeitplan durchgehend, beschließe ich, dass ich noch genügend Zeit für einen kurzen Stopp beim Bäcker habe. Dort angekommen bestelle ich mir eine Semmel. Als es fertig ist und ich wieder weitergehen kann, bekomme ich dann doch einen innerlichen Stress und beschleunige meine Schritte. Ich will den Bus nicht schon wieder verpassen und meine Eltern anrufen müssen um abgeholt zu werden. Um schneller zu sein, springe ich in die nächste Straßenbahn und fahre Richtung Rudolfkreuzung um dort meinen Bus zu erwischen.
Als die Straßenbahn am Hauptplatz hält bemerke ich, dass ich beim Bäcker meine Geldtasche liegen gelassen habe. Ohne meine Geldtasche komme ich aber nicht nach Hause, da sich darin auch mein Busausweis befindet. Also muss ich noch einmal umkehren. Die Zeit wird immer knapper. Beim Bäcker angekommen muss ich nachfragen ob irgendjemand die Geldtasche gesehen hat, denn dort wo ich sie abgelegt habe, liegt sie nicht mehr.
Nachdem die Verkäuferin zehn Minuten danach sucht, bemerke ich sie dann doch unter einem der vier Tische. Mit einem schnellen „Danke“ stürme ich auch schon wieder aus dem Laden hinaus und überlege noch, ob ich mit der Bahn schneller bin, entscheide mich dann aber dafür zu Fuß zu gehen. Besser gesagt zu laufen. Völlig außer Atem komme ich wieder am Hauptplatz an, wobei ich auf dem Weg dahin schon zehn Menschen angerempelt habe. Schnaufend bleibe ich stehen nur um dann die Straße zu überqueren.
Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, weshalb ich das getan habe. Vielleicht wollte ich doch noch in die Bahn einsteigen, oder ich dachte, dass ich auf der anderen Seite schneller wäre. Genau sagen kann ich es jedoch nicht, denn als ich den zweiten Streifen der Fahrbahn erreiche erfasst mich ein Auto und ich werde fünf Meter durch die Luft geschleudert. Das Letzte und Einzige an das ich mich erinnern kann ist eine alte Dame die empört den Kopf schüttelt und ruft: „Geh bitte! Die hatte ihre Augen sicherlich die ganze Zeit nur auf ihr Handy gerichtet und gar nicht auf die Straße geachtet.“ Selbst in meinem halb ohnmächtigen Zustand schockierte es mich, dass das ihre einzige Erklärung dafür ist, wie dieses Unglück passieren konnte.
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