Auf den Schwingen der Zeit
Am Firmament glitzerten unzählige weiße Sterne, die quer über das Himmelszelt gespannt, sich wie Perlen an eine Kette reihten und milchig weiß strahlend um die Wette leuchteten; in ihrer Mitte eingebettet der zarte, weiche Schein eines vollen Mondes. Den Blick auf den Glanz über mir geheftet, stand ich da, zwischen Himmel und Erde auf einer Lichtung inmitten eines sich sanft in der kühlen Nachtluft wiegenden Waldes. Vor meinen Augen breitete sich der grüne Blätterteppich leicht abfallend bis zu einem Fluss hin aus, über den der Mond sein Licht ergoss und es so schien, als bahnte sich ein silberner Faden seinen Weg ruhig über weite, freie Felder, die sich still über die Landschaft legten. Lange stand ich da und lauschte dem friedvollen Rascheln um mich herum, ehe der Schein der Himmelsperlen sich langsam zurückzog und golden ein neuer Tag anbrach. Bald summte es in der Luft von Bienen, die emsig von Blütenkelch zu Blütenkelch schwirrten, zwischendurch den Blütenplatz für eine heranrückende, brummend-pelzige Hummel räumend. Eichhörnchen setzten sich von Baum zu Baum hopsend gegenseitig nach, und in all dem Gezwitscher, in dem die Vögelchen sich selbst zu übertreffen suchten, graste still und aufmerksamen Blickes die Umgebung inspizierend eine Gruppe Rehe. Während die Idylle des friedvollen Waldes mich in süße Träume lullte, veränderte sich etwas in der Art, wie sich die Waldbewohner bewegten, wie die Zweige am Boden meine Fußflächen kitzelten. Die Zeit schien wie beschleunigt, rasch war ein Jahr ins Land gezogen; die Bäume gewachsen, neue Samen gesät, stand ein neuer Winter vor der Türe. An meinem Blick zog der Wechsel der Jahreszeiten vorbei, immer schneller und rascher aufeinanderfolgend wie ein großes Rad, das stetig schneller den Berg hinunterrollt, und dann richtete ich meine Aufmerksamkeit fort von dem mich umschließenden Wald und sah eine Eiche, deren Stamm immer schneller verwittert war, eines Nachts von einem heftigen Sturm zu Boden gerissen werden. Es öffnete sich mir der Blick wieder hinunter ins Tal, und mit Bestürzung musste ich mitansehen, wie stählerne Baumaschinen ihre kalten Arme rechts und links um sich warfen und einen Stamm nach dem anderen den Erdboden gleichmachten. Heißer Ölgeruch, der in den Augen brannte, schwirrte den Atem raubend durch die Luft, verdeckt war bald der Blick auf die Sterne; wie durch einen rauchigen Vorhang verhüllt, während immer mehr Städte aus dem Boden gestampft wurden. Der federnde Waldboden war erstickt unter einer Schicht aus unnachgiebigem Beton, die vielen munteren Blumenfelder umgepflügt und starr in Reihen verlaufende Erdrillen durchzogen in militärischer Ordnung den von immer denselben Gewächsen ausgelaugten Boden. Immer weiter spannten sich Straßen in einstige Paradiese und verbreiteten dort wie ein gefährliches Virus Leblosigkeit und Starrsinn. Und all die Megacitys mit meinem Blick umfassend schwebte Unheil verkündend darüber die Frage:
Können wir noch mehr Zerstörung vertragen?
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