Auf der Flucht
Es ging alles so schnell.
Mein Kopf drehte sich. Nach links. Nach rechts.
Ich stolperte.
Ich spürte den Schmerz.
Ich hörte die Schreie.
Es war furchterregend.
Meine Familie und ich lebten in einem netten, schmalen Haus mit wenigen Fenstern neben den Zugschienen in der Nähe eines großen Bahnhofes. Ich genoss es dort sehr, obwohl es oft modrig roch und wir nicht im Luxus lebten.
Jetzt weiß ich zu schätzen, was ich hatte.
Damals wusste ich es noch nicht, bevor es mir von heute auf morgen weggenommen wurde.
Hals über Kopf mussten wir fliehen, als wir den Tumult auf den Straßen bemerkten.
Es war angsteinflößend.
Aranka, meine kleine Heimatstadt im Westen Syriens war nicht besonders sauber, dennoch gemütlich. Ich fühlte mich dort trotz der strengen Regierungsform immer sicher und wohl.
Bis sie kamen und wir alles verloren.
Auf der Straße tobte und lärmte es und als ich damals aus dem Fenster sah, rannten Soldaten in dunklen Uniformen an unserem Haus vorbei und jagten jedem, den sie erwischen konnten, eine Kugel in den Kopf oder in die Brust.
Diese Bilder brannten sich für immer in mein Gedächtnis.
Es war terrorisierend.
Als die ersten Bomben den Boden von Damaskus trafen, war klar, dass wir hier nicht länger bleiben konnten. Wir mussten alles, was wir besaßen, zurücklassen. Mir blieb nur die Kleidung, die ich an diesem Tag am Leib trug.
Wir rannten um unser Leben.
Mein Vater und ich hatten Glück.
Meine Mutter und meine Schwester nicht.
Ohne mich verabschieden zu können, mussten sie ohne wirklichen Grund diese Welt auf brutale Art und Weise verlassen.
Ihre schmerzverzerrten Gesichter bleiben mir für immer in Erinnerung.
Es war traumatisierend.
Ungefähr 150 Menschen stiegen von Panik getrieben auf das kleine Schiff, von dem ungewiss war, ob es sein Ziel überhaupt erreichen würde.
Auf engstem Raum verbrachten wir Tage zusammen und mein Vater wurde dabei schwer krank.
Der Schmerz über den Verlust meiner Mutter und Schwester war kaum zu ertragen.
Ich realisierte, dass wir jetzt heimats- und obdachlos waren.
Mein Vater und ich wussten nicht, was die Zukunft bringen würde.
Es war belastend.
Nach einer scheinbar unendlich langen Reise über das Meer kamen wir schließlich abgemagert in Italien an.
Ein junger Mann einer Hilfsorganisation half uns, Asyl zu beantragen und in einem Heim untergebracht zu werden.
Hals über Kopf stürzten wir uns in ein neues Leben in ein uns zuvor unbekanntes Land.
Ich bin so dankbar für die Hilfe hier und könnte mir nicht vorstellen, was mit uns ohne diese Unterstützung geschehen wäre.
Es war erleichternd.
Es ist befreiend.
Ich habe durch diese Erfahrung gelernt, dass wir alle teil eines großen Ganzen sind und Menschen nur wirklich stark sind, wenn sie ihre Urteile ablegen und in Nächstenliebe zusammenarbeiten.
(Heimatstadt und Handlung frei erfunden)
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