Aufbruch
Sollte er? Kann er? Der altbekannte Hof vor ihm, der Weg hinter ihm. Der vertraute Hof ist fremd. Neuheit. Alles ist beim Alten. Alles das ihm früher den Zutritt versperrte ist noch da. Gerätschaften sinnlos aufeinandergestapelt, verhakt, alt, rostig. Nicht einmal neue Politur könnte die abgewetzten Holztreppen im Haus noch retten. Er weiß es, hat das Bild noch vor sich. Die Pfütze in der Mitte des Hofes ist neu. Der Boden aus Schlick nicht. Kaffee brodelt in der Küche. Woher weiß ich wie ich mich verhalten soll, wenn ich eintreten will durch die Küchentür? Wie habe ich zu sein?
Ich verstehe dich nicht. Ich sehe dich nicht. Ich erkenne dich nicht an. Erkenne mich in deinem bloßen Lichtschein aus weißem Nichts, das nicht fähig ist auch nur irgendjemanden zu blenden. Lerne von mir. Doch stattdessen musst du rennen. Deiner Mutters Schoß ist dir mehr behagen als es mein Arm um deinen Hals jemals sein könnte. Ich atme in dein Ohr und frage mich, ob du mich noch hörst. Kannst du es noch? Hast du das Hören etwa verlernt? Wirst du mich verstehen, wenn ich dir sage, dass du nichts bist ohne meine Zuwendung? Du wünschst dir Verständnis so sehnlichst, dass du anfängst in meinen Fingern zu Bröseln wie gelbe, körnige Suppenwürfel. Warum bist du nur hier, wenn dir nichts an dieser Küche liegt?
Mein Kaffee wird kalt. Deinetwegen. Störer meiner Routine, du. Ich werde dir Orte zeigen die du nicht sehen willst und ich werde mich erfreuen an deiner Miene, wenn sie vor Ekel erstarrt und kalt wird. Das Schicksaal meines Getränkes soll deines sein, erfahre wie es ihm widerfahren ist. Deinetwegen.
Nicht einmal in Gedanken trittst du durch dir Tür. Man kann es dir ansehen. Unsicherheit. Und dann suhlst du dich in Schläue wie Ferkelchen in frischem Matsch und denkst du bist der reinherzigste Mensch zeitlebens. Hör mir auf mit ‚Sensibilität‘ und ‚nicht verstanden werden‘. Ich verstehe sehr wohl: Ich bin dein Feind. Ich bin grob. Ich bin jähzornig. Zu simpel gestrickt für dich.
Aber auch ich war einst jung. Und ich verstehe, glaub mir. Ich verstehe dich. Lass mich dich leiten.
Jede Heimkehr ist ein Anfang. Anfang ist neu. Doch ist neu gut? Kannst du dich auf neu freuen? Oder wird neu beim Alten bleiben? Ich will es nicht, kann es nicht wissen.
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