Augen offenvon Lara Marie Hofmeister
Als sie die Tore durchquerte, den Raum betrat, hüpften ihr Tränen wie flüssig warme Schoko-Hasen über die Wangen. Vor ihren Augen diese grausam-wunderbare Schönheit, die sie sich so lange ausgemalt hatte, die sich allerdings doch als unvorstellbar herausstellte. Und jetzt stand sie hier, diesen Blick durch die Brille der Ewigkeit - die Linsen der Endlichkeit - hatte sie gestohlen.
Die nassen Tropfen der Glückseligkeit spürte sie auf den Händen, und in den dunkelgrauen Pfützen spiegelte sich bunt-schillernd in rot-grünen Regenbogenfarben das Leben in all seinen Nuancen.
In der Dunkelheit sah sie Licht, ausgehend von feurig flackernden LED Leuchten, und im Kontrast zu diesem industriellen Meisterwerk erblickte sie die Wunder der Natur. In Form von sich wild aufbäumenden Gipfel-Hügeln und sich heimlich verbergenden Wipfel- Sträuchern präsentierte sich diese pompöse Grazie in all ihrer Pracht.
Der Wald umarmte sie mit seinen knochigen Zweigen und die im Wind schwirrenden Herbstblätter waren beschrieben mit Antworten auf noch nicht gestellte Fragen. Die knarrenden Bäume lästerten hinterhältig über die Frühlingsknospen, und kopfschüttelnd fraß sie den Tratsch begierig auf, denn die Frühlingsknospen werden ihr nie sympathisch sein.
Im Walzerschritt betrat der Tod den Raum und forderte sie zum Tanz auf. Im verruchten Spielmann-Stil wirbelte er sie durch den Spiegelsaal, und in der Reflexion erkannte man ihre ausgemergelten alten Glieder in jugendlicher Frische. Er fand sie wunderschön an diesem Abend.
Doch irgendwann wickelten sich die Mitternachtsglocken auch um den Hals des schönsten Balles. Die Galgenschlingen zurrten sich fest, und hören konnte man nur noch den letzen Atemzug, der wie das Schluchzen von tausend gelben Sommertagen durch die erstarrte Nacht hallte. Recht so, es wurde auch Zeit, denn jetzt näherte sich der Frost mit seinem rhythmisch klopfenden Gehstock und die kühle Nachtluft versprach schon jetzt laut knisternde Winternächte.
Dann kamen sie, die grausamsten Feinde der größten Helden und suchten ihren Krieg, wollten auch sie zur Heldin machen. Ihr Vorhaben gelang, sie gewann den Kampf der Titanen und siegestrunken schwamm sie durch die Nacht. Mit perfekten Maulwurfsklauen und Froschbeinen schob sie die Sterne beiseite, so dass sie aus der Balance gerieten und als Schnuppen auf die Köpfe der Verlierer rieselten.
Doch die Rebellion war noch nicht geschlagen, die Grenzen wollte sie testen. Das Schicksal war die Welt, sie ihr Napoleon, und der verbotene Kuss auf die vergifteten Lippen des Glücks war ihre Krönung. Es war ein Schauer ihrer Präpotenz und schon bald beschwerten sich die vom Neid getriebenen Nachbarn. Die Situation wurde brenzlig, doch es machte nichts, denn als die Nachtigall sang wusste sie, dass es Zeit war, zu gehen.
Nach einer Lebenszeit des Fragens und einer Unendlichkeit des Wunderns hatte sie gesehen, was sie nie hätte sehen sollen, hatte erkannt, was sie nie hätte erkennen sollen: die Zukunft.
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