„Augenblick verweile doch, du bist so schön”
Und ich sitze schon wieder hier. Spüre die harte Kante meines Bettes an der Unterseite meiner Beine, während meine Hände neben mir abgestützt sind. Ich starre nach vorne, sehe nichts. Die grobkörnige Verputzung meiner weißen Wand verschwimmt langsam vor meinen Augen, bis sie nur noch eine graue Fläche ist. Alles andere um mich herum blende ich aus. Meine Füße sind kalt, sie brennen.
„Warum“, denke ich, „warum hört es nicht einfach auf?“ Der Stress, der ständige Druck, der ständige Streit, der ständige Hass. Alles kreist um mich herum, aber ich stehe still. Gefangen in diesem Moment, der weder schön noch schrecklich ist, einfach leer.
Ich frage mich, wie es wäre, jetzt ein Kind zu sein. Die Zeit, als jeder Augenblick endlos schien. Als selbst das Kleinste ein großes Abenteuer war. Als die Welt größer war als ich sie mir vorstellen konnte. Und als Momente noch nicht zerrissen wurden von der Angst vor dem, was kommen mag.
Goethe, der einst schrieb „Augenblick, verweile doch, du bist so schön!“, dringt in meine Gedanken. Wann sage ich, dass ich endgültig zufrieden bin, mit meinem Leben und mit dem was ich kann und tue? Habe ich jemals so empfunden, als ich ein Kind war? Aber wann ist ein Moment jemals so gewesen? Und warum kann ich ihn heute nicht mehr so erleben?
Ich blicke auf die Wand, denke daran, wie ich als Kind oft glaubte, dass die Zeit stehen bleiben könnte, wenn ich es nur stark genug wollte. Doch jetzt? Alles fließt weiter, unaufhaltsam, ohne Rücksicht. Ich drifte ab, zurück in diese Erinnerungen, frage mich, ob es jemals eine Zeit gab, in der ich wirklich dachte, ein Moment könnte schön genug sein, um für immer zu dauern. Oder ist das nur eine Illusion, die wir uns selbst erzählen, um der ständigen Bewegung des Lebens zu entkommen?
„Wann hört das alles auf?“ Ich denke an die kommenden Tage, Wochen, Jahre. Unser Streben nach mehr, nach dem perfekten Augenblick, ist das nicht selbst eine unerträgliche Last? Jeder ist auf der Suche nach dem perfekten Moment, dem Moment. Doch vielleicht gibt es diesen Moment gar nicht.
Vielleicht gibt es nur Augenblicke, die uns durch die Finger rinnen wie feiner, warmer Sand. Augenblicke, die so schnell wieder vorbeigegangen sind, dass wir sie gar nicht wahrgenommen haben – ein flüchtiges Kompliment von einem Fremden im Bus, das leise „Danke“ eines Kindes, dem wir über die Straße helfen, oder einfach das Lächeln einer Freundin, wenn wir ihr sagen, wie viel sie uns bedeutet.
Augenblicke, diese kleinen, unscheinbaren Momente, die unser Leben bereichern könnten, wenn wir nur lernten, sie wirklich zu schätzen.
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