Ausrauchen lassen
Die Tür schließt mit einem Krachen, Finger tasten in der Dunkelheit nach dem Schlüssel, der steckt. Kalt ist es, die Wut verraucht besser bei Kälte, weil man abgelenkt ist mit nichterfrieren. Der rote Mantel mit einem Knopf kratzt am Nacken und Stiefel treten unsichtbaren Boden, je energischer, desto weniger knickt man um, in eine Kuhle im Gras zum Beispiel. Die Dunkelheit macht blind. Sie stapft durch die Gartentür, den Weg entlang, von vielen Füßen braungestapft. Eine Dummheit, so im Dunkeln, mit der Wut im Bauch noch rauszugehn. Man weiß ja nicht, wer sich rumtreibt, was die machen mit einer. Kommt nur, denkt sie, kommt nur, und stapft weiter. In Gedanken ist das Gras ein Pfiff, der Asphalt ein Grinsen, ein Ruf. Sie stapft darauf herum. Kommt nur. Hinten im Kopf sagt die Stimme: Renn ab der Abzweigung. Die Fingernägel in die Hände gekrallt, stampft sie ihr entgegen. Die Stimme sagt: Jetzt, sie sprintet los. Nicht so schnell wie geplant, doch die Zähne sind gebleckt und der Blick fühlt sich an wie ein Wurfmesser. Aber der Körper, der stumpfe, schwache Körper im roten Mantel ist nicht wie der Blick, kein Wurfmesser. Die Stimme sagt, bis zum Wald, und sie stolpert auf die Bäume zu, obwohl die Beine taub werden. Ein Problem, denkt sie, dass der Körper weder schnell noch scharf ist. Er hilft nicht bei Pfiffen oder Schlimmerem. Die Wut ist fast weggerannt, und mit dem Atem kommt langsam eine Angst, die im Rücken lagert. Der Wind bläst ihr die Geräusche kleiner Tiere ins Ohr. Oder großer, weißt du es? Nein, flüstert eine Angst und kratzt mit dem Mantel im Nacken. Nein, sagt sie, geht leise, um die Spinnen nicht zu wecken. Jemand kommt, hat auf Fußhöhe einen knurrenden Leuchtpunkt. Ein Hund, die Sorte, deren Schädel ist wie Schneckenhäuser. Leise grüßt man, hallo, und die Blicke aneinander vorbei. Schön, diese Distanz. Das Leuchthalsband ist nicht schön, aber nützlich, so steigt keine: r versehentlich auf den Schneckenhauskopf. Sie geht, die Wut ist weggerannt und ein Abstand von der Welt macht sich breit. Der aufgeheizte Körper schält sich aus dem Mantel wie die Oma den Apfel, in einer Bewegung, ein roter Schalenkringel. Übrig bleibt ein Weiß, das leuchtet im Finstern zwischen Straßenlaternen. Die Härchen auf den Armen fühlen Wind, der Kopf fühlt nichts, die Wut hat ihn ausgeräuchert. Die Schritte sind energisch, je energischer, desto weniger knickt man um, in eine leere Pfütze zum Beispiel. Die Augen sind offen und blind, und sie denkt, die Wut wäre nützlich, der Abstand im Kopf schützt nicht gegen Schlimmeres. Aber der Weg ist bekannt und nicht mehr weit: durch den Pfad, den Tunnel aus Ästen, es wird stickig, dunkler. Energisch treten Stiefel Gras, ohne Wut. Länger ist der Weg, denkt sie, länger als sonst und ohne Licht. Aufgerissen starren Augen in Schwärze. Umrisse der Tuien sieht sie, das Gartentor, sie stapft durchs Gras. Sie kann die Haustür nicht erkennen, aber die Fenster leuchten raus aus der Dunkelheit. Der Schlüssel steckt.
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