Bauchgefühl
Da war es. Dieses Gefühl im Bauch. Das Kribbeln in den Händen. Das Bedürfnis sich irgendwo festhalten zu müssen. Kalter Wind zerzauste mir die Haare. Ich versuchte mich zu beruhigen, doch es misslang mir kläglich. Ich dachte daran, was ich in diesem Moment alles machen könnte, und das bisschen Zuversicht, dass ich doch den Mut dazu haben könnte, verließ mich beinahe. Ich schüttelte den Kopf, versuchte mich zu konzentrieren. Ich betrachtete den Himmel. Ich sah Vögel, sah wie sie flogen, sah wie frei sie waren. Meine Hände begannen zu schwitzen. Mir kam mein Vorhaben wieder in den Sinn und meine Fingernägel gruben sich in meine Handflächen. Ich kann nicht mehr zurück. Alles in mir sträubte sich dagegen. Ich wagte einen winzigen Schritt nach vorne und sofort hatte ich das Verlangen, zwei große Schritte zurück zu machen. Wieder hatte ich das Gefühl nicht sicher stehen zu können. Meine Knie drohten weich zu werden. Ich verbannte all die unnötigen Gedanken aus meinem Kopf. Ich hörte nur noch das Rauschen des Waldes links von mir. Eine leichte Böe umspielte mich. Ich wollte die Augen schließen. Genau das tat ich auch, doch im nächsten Moment riss ich sie wieder auf. „Ich kann das nicht!“ stieß ich leise hervor. Ich wischte meine nassen Hände in meine Hose, doch es half nichts. Ich wollte es ihnen beweisen. Himmel! Ich wollte es MIR beweisen! Ich kann das schaffen! Oder nicht. . ? Doch! Das laute Pochen meines Herzens schwoll an. In meinem Magen rebellierten brummende Hummeln, denen man ins Nest gestochen hatte. Ich hatte das Gefühl abzurutschen, obwohl ich auf einer komplett waagrechten Ebene verweilte. Da stand ich nun seit gefühlten Stunden vor einem Abgrund, einer Schlucht. Es war soweit. Jetzt oder nie! Ich lehnte mich mit einem letzten Gefühl der Unsicherheit nach vorne. Ich spürte wie mein Schwerpunkt nicht mehr über festem Boden war. Nun gab es kein Zurück mehr! Adrenalin schoss durch meinen Körper. Mein Puls raste. Ich wollte schreien! Der Angst, der Überraschung, diesem erdrückenden, beinahe schmerzhaften Kribbeln, das mittlerweile meinen ganzen Körper beherrschte, Platz machen. Doch ich konnte nicht. Ich kam nicht dagegen an. Die Flut der Reize lähmte mich und ich brachte keinen Ton heraus. Meine Innereien mussten „Plätze tauschen“ gespielt haben, so wie wir es damals in der Volksschule getan hatten, denn ich könnte schwören, dass keines meiner Organe an seinem rechtmäßigen Platz blieb. Ich stürzte mit immerzu wachsender Geschwindigkeit auf die Erde zu. Nur noch wenige Meter trennten mich von der Oberfläche unseres Planeten. Dann spürte ich den Druck des Gurtes um meinen Beinen, der mich zurückschleuderte. Hier hing ich nun an einem Bungeeseil und genoss Hals über Kopf das Gefühl etwas geschafft zu haben.
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