Beim zweiten Mal ist es leichter, sagen sie. von Anna Bauer
Beim zweiten Mal ist es leichter, sagen sie. Und beim dritten und vierten Mal. Es wird leichter. Von Mal zu Mal. Weil es irgendwann nicht mehr neu ist. Das sagen sie.
Sie haben nicht Recht. Weil, dann wäre es nicht ein anderes Mal. Kein zweites oder drittes Mal, sondern bloß die Wiederholung vom ersten Mal.
Aber es wäre schön, wenn das, was sie sagen, stimmen würde. Dass es beim zweiten Mal wirklich leichter ist. Und beim dritten und vierten Mal.
Vielleicht wäre es dann einfacher, an dich zu denken. Irgendwann hätte die Erinnerung an dich dann den Schmerz verloren, der in ihr innewohnt. Aber es ist nicht leicht. Weil es beim zweiten Mal an dich denken genauso wenig besser wird, wie beim dritten Mal. Der Schmerz bleibt. Die Erinnerung auch. Nur du bist nicht mehr da.
Eine Zeit lang war ich mir nicht sicher, ob in meinem Kopf überhaupt noch andere Gedanken existieren, als die Erinnerung an dich. Aber das verging wieder. Und kam wieder. Wie in Wellen. Aber Wellen werden nicht von Mal zu Mal schwächer.
Sie sagen, es wird seine Zeit brauchen. Wunden heilen auch nicht von heute auf morgen. Aber sie werden besser, von Mal zu Mal. Ich bin mir da nicht so sicher. Der Gedanke an dich ist noch immer eine offene Wunde. Dabei sind schon so viele Male an dich denken vergangen.
Manchmal sage ich mir, ich bin selber schuld, dass sie nicht heilt. Weil ich nicht glaube, dass es von Mal zu Mal besser wird. Vielleicht wird es ja doch leichter. Beim zweiten oder dritten Mal denken. Vielleicht will ich mich nur an den Schmerz klammern, weil der Schmerz vor dem Vergessen bewahrt. Zu vergessen wäre wie ein Verrat an dir. Besser ist es zu glauben, dass sie Unrecht haben.
Eine Zeit lang habe ich den Gedanken an dich ignoriert. Zur Seite geschoben. Versucht zu vergessen. Weil es beim zweiten Mal an dich denken nicht leichter war. Und beim dritten schon gar nicht. Aber wie bei einer Wunde, die man ignoriert, ist die Entzündung größer geworden. Und proportional damit der Schmerz.
Und irgendwann habe ich dann auch gemerkt, dass ich gerade deshalb öfter an dich gedacht habe. Weil ich versucht habe, nicht an dich zu denken. Es war wie verhext.
Beim zweiten Mal ist es leichter, haben sie gesagt. Weil ich ihnen erzählt habe, wie weh es getan hat, mich zum ersten Mal nach allem an dich zu erinnern. Davor warst du ja noch da, wenn ich an dich gedacht habe. Aber beim ersten Mal danach, dann eben zum ersten Mal nicht mehr. Kurz habe ich ihnen auch geglaubt. Dass es beim zweiten Mal wirklich besser sei.
Aber das zweite Mal an dich denken war keine Wiederholung vom ersten Mal. Es war ganz anders. Es hat genauso wehgetan, aber anders. Weil es in einem anderen Moment, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort passiert ist. Dass du dich wieder in meine Gedanken geschlichen hast.
Ich habe mir oft gewünscht, dass es besser wird. Von Mal zu Mal. So wie sie sagen. Es wäre leichter gewesen. Und ich wäre anders heute.
Aber irgendwann habe ich dann erkannt, dass es nicht besser wird. Nicht beim zweiten, nicht beim dritten und auch nicht beim hundertsten Mal. Aber man lernt mit dem Schmerz zu leben. Und den Erinnerungen. Und ohne dich.
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