Überleben wir heute noch?
Srebrenica, am 13. Juli 1995
Und schon wieder vergeht ein Tag in diesem abscheulichen Ort des Massenmordes und der Vergewaltigung. Einst war Srebrenica die schönste Stadt von Bosnien und Herzegovina, die ich je gekannt habe. Möglicherweise liegt das auch daran, dass Srebrenica die Stadt ist, in der ich geboren wurde. Tägliche Schmerzen erleide ich jetzt, während ich hoffnungsvoll auf mein Neugeborenes warte. Dennoch habe ich viele Sorgen, wie ich mein Kind hier in dieser furchtbaren Zeit, unter diesem ganzen Stress ernähren soll. Noch vor ein paar Tagen hat die Organisation der Vereinten Nationen uns versprochen, dass die serbische Armee das Verbot hat, in Srebrenica einzutreten. Während ich schreibe, sitzen Tausende von bosnischen Zivilsten in dieser riesigen Halle und wir fürchten um unser Leben, da Serben doch in Srebrenica eingetreten sind. Die Frage, die wir uns alle stellen: Überleben wir heute noch?
Srebrenica, am 14. Juli 1995
Heute Nacht habe ich mein Kind zur Welt gebracht, jedoch kann ich es durch meine Unterernährung nicht stillen. Schreckliche Szenarien gehen mir durch den Kopf, ob mein Kind heute noch überlebt.
Srebrenica, am 15. Juli 1995
Ekelhafte serbische Kriegsverbrecher! Heute ist der General der serbischen Armee, Ratko Mladić, in unseren Bunker gekommen und wollte sich mit uns anfreunden. Er hat gehört, dass mein Neugeborenes schreit, und ich habe ihm erklärt, dass es Hunger hat. Der elendige Hurensohn meinte, dass sein Kollege mein Kind ernähren wird. Im Zimmer nebenan hörte ich dann Schüsse. Sofort bin ich in Tränen zusammengebrochen. Es wurden auch Männer abgeführt, welche dann gnadenlos erschossen wurden. Frauen werden vergewaltigt. Ich glaube, dass ich morgen dran bin.
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