Besserwisserin
„Geh bitte“, hör ich und könnte wieder nur die Augen verdrehen. Oma ist da und am liebsten würd ich direkt wieder zur Tür raus. Es ist nicht so, dass ich die Oma nicht mag, ganz im Gegenteil. Ich kann sie nur nicht ab, wenn sie über irgendwas meckert. Sie ist dann immer so von sich überzeugt und auf alle Argumente ist ihre Antwort dieselbe: „Geh bitte“.
Ich werfe meine Schultasche ins Eck und zieh die dicke Jacke aus. „Ich bin daa!“ ruf ich, um auf mich aufmerksam zu machen. Ich lege meinen Kopf nach hinten und stoße einen kurzen Seufzer aus bevor ich die Schiebetür zu unserm Küchen-Esszimmer-Wohnzimmer-Raumdings aufmache. Auch etwas das meine Oma beim Hausbau kritisiert hatte, als meine Eltern eine Schiebetür einbauen wollten. „Geh bitte, warum muss man heutzutage alles modernisieren? Reichts nicht, wenn man eine Tür aufmacht wie jeder andere?“
Ewigkeiten haben wir damit verbracht sie von dieser blöden Tür zu überzeugen, doch sie hat sich so gesträubt, dass meine Eltern sie aus Protest trotzdem eingebaut haben. Danach konntest du sie eine Woche in die Ecke stellen. Geredet hat sie erst wieder mit uns als sie gemerkt hat, dass sie jemanden fürs Einkaufen braucht, weil ihre Busenfreundin aus der Dienstags-Turngruppe auch keinen Führerschein hat.
„Hallo Oma. Wie wars beim Augenarzt? Hast du wieder versucht im zu erklären, dass du keine Gleitsichtbrille brauchst?“ Das tut sie nämlich immer, wenn‘s bei Untersuchungen um Alterserscheinungen jeglicher Art geht. Die Ärzte, zu denen sie geht, tun mir schon ein bisschen leid. Es kann schon mühsam sein mit ihr zu agieren, weil sie nämlich immer glaubt, dass sie alles besser weiß. „Grad so, dass man sie nicht einweisen müsse“, waren Omas Worte, als die HNO-Ärztin letztens meinte es wird langsam Zeit für Hörgeräte.
„Geh bitte, die hat ja keine Ahnung von ihrem Beruf! Eine Frechheit sowas! Die wollen mich doch alle übers Kreuz legen!“ Keiner will sie übers Kreuz legen. Wirklich niemand. Das versteht die Oma aber nicht, weil sie ist ja fest davon überzeugt, dass alle ihr was Böses wollen. Und weil sie nicht wahrhaben will, dass sie schon fünfundsiebzig ist, und keine fünfunddreißig mehr.
Mama schlürft an ihrem Kaffee und verdreht genervt die Augen. Das war sicher wieder eine Prozedur für sie heute. Vor allem auf einer langen Autofahrt wünsch ich die Oma keinem als Beifahrerin. Einmal im Leben hab ich diesen Fehler gemacht und dann hätt ich eh beinahe das Zeitliche gesegnet als ich ihr erklären musste, dass zerrissene Hosen grad genauso im Trend sind wie Schlaghosen in ihren Zwanzigern in waren. Sie hat sich nämlich mordsmäßig drüber aufgeregt, dass die Jugend heutzutage gar keinen Anstand mehr besäße, unter anderem, weil eine der Mädels die an der Ampel über die Straße gehen wollten einen Minirock anhatte. „Geh bitte, das ist doch kein Rock! Der Fetzen hört ja da auf wo er grade mal anfängt!“
In dem Moment hab ich mich mal entschieden, den Spieß umzudrehen. „Geh bitte Oma!“ hab ich gesagt und ihr den Vogel gedeutet.
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