Bitte keine Blumen
Wenn er an sie zurückdachte, färbte sich in seinem Kopf als erstes alles orange, alles orange und rot, alles orange und rot und braun.
Die Blätter fallen und er in den Moment zurück.
Hell und warm war die Sonne, und ihre lauwarmen Strahlen schienen zwischen den großen Kastanienbäumen mit den tanzenden Ästen. Ferner ein Rauschen der vielen Autos auf der Hauptstraße, vom Rascheln des Laubes ersticktes Kinderlachen und gelegentliches Hundebellen.
Sie und er gingen ein wenig schneller als alle anderen - in einem rhythmischen Gleichschritt, den keiner der beiden bemerkte. Wohl aber bemerkten sie die verwirrten Blicke der Spaziergänger, die Jogger, die sich nach ihnen umdrehten und die Kinderfinger, die auf ihn zeigten.
Er pulte sich verträumt an den Fingernägeln und sah auf seine Beine herab. Durch ihren schnellen Gang im wehenden Kiesstaub waren ihre Schuhe um die Kuppen herum ganz grau geworden. Vor ihm das Ende des knirschenden Weges, der Beginn des Asphalts. Die beiden gingen noch ein Stück und blieben an der Ampel stehen. Er meinte zu sehen, wie ein Mann auf der gegenüberliegenden Seite versuchte, unbemerkt ein Foto von ihm zu machen. Die Hände in den Jackentaschen vergraben sahen sich beide flüchtig an, sie lächelte ihm zu, sanft und doch mit voller Wucht. Unmittelbar musste er an ihre erste Begegnung denken. Er erzählt anderen ungern davon, weil schon er selbst es fast kitschig findet. Wenn sie ihn doch dazu zwingen, dann spart er wohlwollend die Details aus – den Wind um ihr seidenes Haar, das Funkeln in ihren blauen Augen. . und sein Lieblingsbuch unter ihrem Arm, das letztlich der Grund für ihr Treffen in der Kastanienallee war. Ohne diesen zauberhaften Vorwand hätte sich Jonas wohl nie getraut, sie anzusprechen. Ironischerweise hätte er sie ja aber auch sonst nie ansprechen wollen.
Sie war schnell, witzig und pointiert, sie fragte ihn über die Charaktere und Details im Buch aus, um sicherzugehen, dass er mit dem Buch nicht nur eine Ausrede suchte, sie anzusprechen. Ihr gefiel sein naiver Eifer, den er dabei an den Tag legte und so willigte sie schließlich ein, sich zu treffen. Eine Bedingung hatte er dabei allerdings zu erfüllen, er solle ihr bitte unter keinen Umständen Blumen mitbringen, sie stehe nicht auf so etwas.
Drei Tage und zwei Nächte ging er in seinem Zimmer zum Bedauern seiner jammernden Dielen auf und ab und zerbrach sich den Kopf, womit er sie stattdessen beeindrucken könnte. Letztlich entschied er sich dafür, ihr gar nichts zu schenken und wartete in voller Aufregung vor ihrer Tür.
Bis sie aufmachte, hatte er sich bereits in die Handschrift auf dem Klingelschild verliebt, in ihre Stiegen, ihre Türmatte, ihre Tür und – da öffnete sie die Tür und er verliebte sich in sie. Da geschah es: er hatte ihr keine Blumen gebracht, er hatte ein Kunststück vollbracht: Für sie hatte er seinen Hals über seinen Kopf gehoben. Sie bückte sich, gab ihm je einen Kuss auf die Wange und sie spazierten durch das sonnendurchflutete Stiegenhaus.
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