Bitte Normalität!
„Elisabeth, es gibt Frühstück“, die Stimme meiner Mutter drang durch meine Zimmertür. Ich öffnete langsam die Augen und blickte auf meinen Wecker. Die Uhrzeiger zeigten auf 6: 58 Uhr. Normalerweise musste ich während der Schulzeit eine Stunde früher aufstehen. Doch zurzeit war leider gar nichts normal. Corona, Quarantäne und Home-schooling. Apropos Home-schooling, heute musste ich wieder einen Tag mit Videokonferenzen und Arbeitsaufträgen durchstehen.
Ich setzte mich mit einem lauten Seufzer auf. „Du musst nicht zum Bus gehen und kannst länger schlafen“, sagte ich mir leise zur Aufmunterung. Dies waren jedoch die einzigen positiven Aspekte der Sicherheitsmaßnahme.
Ich schlenderte in die Küche und murmelte ein leises: „Guten Morgen.“ Keines meiner Familienmitglieder hörte mich. Dies war mir jedoch egal. Ich setzte mich auf den Stuhl und aß mein Müsli, welches zurzeit mein Lieblingsfrühstück war. Während ich ins Narren-Kastl starrte, hörte ich dem Nachrichtensprecher zu. „Der Lockdown, inklusive Home-schooling, wird verlängert. …“ Ich schaute auf und konzentrierte mich auf das Radio. Das konnte doch nicht sein. Ich ließ meinen Löffel in die Schüssel fallen.
Die Milch schwappte über und der halbe Tisch wurde damit bedeckt. Darauf rief meine Mutter: „Geh bitte, was ist denn jetzt schon wieder lo. . . ?“ „GEH BITTE“, schrie ich, „der perfekte Ausdruck für meine Stimmung! Was los ist? Du fragst mich ernsthaft was los ist?“ Ich spürte, wie in mir alles zu brodeln begann. Meine Eltern drehten sich mit großen Augen in meine Richtung. Die Kinnlade meines Vaters fiel, wegen meines Tones, nach unten. „Ich sag euch was los ist.“ Plötzlich sprudelten die Worte nur so aus mir heraus. „Es wird mir alles zu viel. Dieses ganze Home-schooling und Lockdown Ding geht mir auf den Geist. Ich kann nicht mehr. Was würde ich gerade dafür tun, in die Schule zu gehen, vor der Tafel zu sitzen, stundenlang dem Lehrer zuzuhören, mit meiner besten Freundin während des Unterrichts zu quatschen, meine Jause mit der Sitznachbarin zu teilen und mich mit ihr über Gott und die Welt auszutauschen. Einfach Normalität. Aber was tun wir? Wir sitzen den ganzen Tag zu Hause, vor unseren Laptops, warten darauf, dass unsere Augen dadurch schlechter werden, dass unsere sozialen Kontakte deswegen abbrechen und dass wir trotz den Videokonferenzen und den Arbeitsaufträgen nichts mehr dazulernen. Das ist los. Und ja ich weiß, dass ich derzeit damit leben muss, aber das bedeutet nicht, dass ich mich nicht beschweren darf. Und deshalb: Geh bitte!“
Ich stürmte in mein Zimmer und ließ die Tür hinter mir laut ins Schloss fallen. Tränen liefen über meine Wangen und ein Schluchzer nach dem anderen war zu hören. Trotz meines Zusammenbruches ging es mir nach meiner Einlage in der Küche ein bisschen besser. Es tat gut, seinen Emotionen manchmal freien Lauf zu lassen.
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