Blasse Worte
Blut sickert in die blassen Worte. Zerreißt ihr klägliches Schimmern in der Dunkelheit.
„Margaret“ hatte sie geflüstert. „Margaret, das ist mein Name.“ Was hatte er bloß geantwortet? „Tho. .“… „Thomas? Oder doch Theo?“ Doch die Dunkelheit zerreißt die blassen Worte, lässt der Ewigkeit nur noch Fetzen. Blutigen Fetzen, verworrene Fetzen. Was mehr ist noch von ihnen übrig? Von den Worten, denen sie einst so andächtig gelauscht hatte? Da waren Dichter gewesen, englische, französische ja sogar arabische, doch die Worte ihres Herzens waren in den Wellen der tausend Gedanken ertrunken, ersoffen. Blank waren ihre Erinnerungen, knochige Wesen schlichen nun durch den Wald, den einst so viele Worte geschmückt hatten. Geschmückt…
Sie hatten den Tannenbaum geschmückt, mit Kerzen, Lebkuchen, Geschenken. Kleine Hände hatten sich zu Ihren gestreckt, funkelnde Äuglein ihren Schatz bewundert und sanfte Lippen sie geküsst.
Doch nun?
Nun trieften die Lichter vor Dunkelheit und Blut sickerte in die blassen Worte. Worte, die dröhnend in ihrem Kopf tanzten und jaulten, Worte, die selbst im Tode keine Stille kannten.
Geschrien hatte sie. Geschrien, bis das Auto vorbeigerast war, auf ewig vergessen in der Ruhe der Nacht. Rot wie das Blut, das jene schrecklichen Scherben gefärbt hatte, rot wie das Blut, das in die blassen Worte sickerte.
Was hatte sie gesagt? Verdammt was hatte sie bloß gesagt?
Kreischend bohrt sich das Eis in ihre Adern.
Was hatte sie sagen wollen?
Doch das Blut sickert in die blassen Worte. Sickert und jault bis auch das Letzte in der Ewigkeit erstickt. Es ist der Zauber der Zukunft: zu vergessen, zu zerreißen
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In den Schatten regt sich ein letztes Füncken. Ein Fetzten, noch klar und leuchtend. „Ich liebe dich“, ruft er in die Ewigkeit.
Und taumelnd sinkt er zu Boden, will die Flucht ergreifen, bis er eingeholt wird von dem Zauber der Zukunft, auf ewig Vergessen in den Winden der Zeit.
Und Blut sickert in die blassen Worte.
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