Bronzetränen
Genug von Jenen, die sie zu einer Solchen machten. Die Welches über sie erzählten und es Diese glauben ließen. Müde war sie geworden, müde der Fabeln, die eigens ernannte Gebrüder Grimm in Umlauf brachten und sie in Lichter rückten, die sie in falschem Schimmer erstrahlen ließen. Doch war es nicht stets Müdigkeit gewesen, die sie die Nächte wach hielt und durch den Tag quälte, zunächst war es Ärgernis gewesen. Brennender Ärger, lodernd in ihrem Leib wie die hungrigen Flammen, die sich erbarmungslos durch Haus und Hof fraßen, nicht stoppten vor Haut, Haar, nicht vor Schreien und Bitten. Sie hinterließen aschige Kriegsfelder, toten Nährboden, dem das Leben erloschen war.
Dann war es Verzweiflung, die zu sinistren Farben griff und durchzechte Nächte malte, rund um ihre Augen herum. Rund wie die Whiskeygläser, in denen sie nach Trost suchte. Aber anstelle von Trost war es flüssiges Bronze gewesen, das in ihrem Leib zu einer warmen Umarmung erwachte und sie Willkommen hieß.
Fiel die Tür ins Schloss, grüßte sie der Alkohol. Euphorisch wie ein alter Freund. Und als hätten sie einander Jahre nicht gesehen, lauschte er den Worten, die ihren Mund verließen. Er fluchte mit ihr, wenn es sie vor Zorn schüttelte, er trocknete ihre Tränen, wenn sie die Welt nicht mehr verstand, die ihr anstelle des Himmels, die Tore der Hölle öffnete. Ein Taugenichts war sie geworden, Abschaum.
Was war geschehen? Was war gewesen? War es eines falscher Worte gewesen, die die von Neid Erfüllten flüsterten? Oder war sie Ikarus gewesen und zu nah an der Sonne geflogen, dass das Wachs ihrer Flügel schmolz und sie ins Meer fiel? Hatte sie womöglich selbst den Spaten gegriffen und sich ihr Grab geschaufelt?
Der Selbstvorwurf, er stand im Raum. Zeigte anklagend mit ausgestrecktem Finger auf ihren Leib und kreischte, sobald die Stimme der Spirituose leiser wurde. Er zog und zerrte an ihren Haaren, riss sie ihr einzeln aus. Mit den Krallen scharf wie Messer, schlitzte er ihre Arme auf, dass das weiß gekachelte Badezimmer einem Tatort glich. Doch nun ging er weiter und der Schrank stand offen. Bis zuletzt hatte er sie angetrieben. Zuletzt war jetzt geworden, der Moment in dem alles verloren und alles egal schien, nur noch das Schießgewehr im Schrank zählte. Genug von einem Leben, das ihrer nicht galt. Sie weinte tausend Tränen und ging dennoch hinaus. Raus auf das Feld, wo bloß die Raben an ihrem Freitod Anteil hatten. Ein Hilfeschrei, der verstummte, als ein Donnergrollen ihm den Rachen stopfte.
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