chrōma d’ àmauroī pánta
Wir müssen das Ferkel neu streichen. Also holen wir die Farbe. Mit Kübeln aus Aluminium gehen wir zu dem Dorf auf der roten Wiese. Eine Kirche mit hohem steinernen Turm. Fünf kleine verschachtelte zusammengekuschelte Häuser mit archaischen Holzschnitzereien, Dächern wie Pferderücken. Eine kleine Gasse bilden sie. Nur dort wächst das rote Gras nicht. Aus den Fenstern mit den bunten Balken blicken uns im Vorbeigehen alte Leute an. Wir sehen das gemütliche Leben im Inneren. Das Farbgeschäft ist ganz am Ende der Gasse. Dort, wo die rote Wiese wieder beginnt. Der alte Besitzer steht im steinernen Türrahmen. Sein Bart, noch nicht vollkommen weiß, beginnt bereits auszufallen. Oder war nie dicht. Er reicht uns seine faltige alte Hand. Wir geben ihm die Kübel. Er verschwindet im Inneren und schlägt die Balken zu. Eine Tür mit Balken. Welch eine Seltenheit. Es vergeht eine Weile. Die Schwalben pfeifen hohe geschwungene Töne durch die Lüfte. Sie drehen ihre Runden um den Kirchturm. Vor dem Eingang lagern Säcke mit Jauche. Ein Hahn marschiert über den dreckigen Boden. Er steigt auf eine erloschene Zigarette. Der Farbverkäufer kommt wieder. Die steinernen Stufen klettert er hinab, um uns die gefüllten Kübel zu geben. Wir bedanken uns und gehen gleich aus dem Dorf hinaus. Die roten Wiesenstoppel kitzeln unsere Fußsohlen. Vorbei an den kleinen Steinen, die verstreut im Gras liegen. Bis wir den Waldrand erreicht haben. Dort liegt das Ferkel. Es hat schon bessere Zeiten gesehen. Wir heben es auf und beginnen den hölzernen Bauch auszuhöhlen. Die Holzspäne werfen wir in den Wald. Das Ferkel wird jetzt gestrichen. Inzwischen ist die Oberfläche der Farbe im Kübel bereits eingetrocknet. Wie eine Palatschinke heben wir sie heraus und werfen sie in den Wald. Sie fällt auf einen Baumstumpf und versiegelt ihn. Wir haben keine Pinsel, also tunken wir unsere Hände in die Farbe und streicheln dann das Ferkel. Es wird ganz blau. Unsere Hände auch. Und die Wiese um uns herum wird auch nicht verschont. Wir malen in jeden letzten Winkel, damit das Ferkel für immer vor der Witterung geschützt ist. Auch die Innenseite bemalen wir - da, wo wir den Bauch herausgelöst haben. Hinter uns geht langsam die Sonne unter. Die rote Wiese mit dem Dorf in der Mitte wirkt jetzt noch roter. Sogar das Ferkel wirkt rot. Wie soll es jetzt trocknen, wo die Sonne weg ist? Die Kirchenglocke schlägt sechsmal. Wir marschieren zurück zu uns nach Hause. Weg von der Wiese in den Wald hinein. Auf dem Weg ziehen wir uns unsere Kleidung aus und werfen sie in einen kleinen Bach. Morgen wird sie gewaschen wieder angespült. Nackt und mit blauen Händen kommen wir an. Wir öffnen die alte Holztüre. Ein paar halb geschmolzene Kerzen beleuchten ein kleines Zimmer mit niederer Decke. Mehr haben wir nicht. Und weil wir keine Dusche haben, waschen wir uns mit der restlichen blauen Farbe. Im Kerzenlicht wirkt das Blau gelb. Wir setzen uns neben die Kerzen, damit die Farbe schneller trocknet. So schlafen wir ein.
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