Cool sein zu welchem Preis?
„Sag es, sag es, sag es…”, hörte ich die „coolen” Jungs aus meiner Klasse im Chor schreien. Auch andere Schaulustige hatten sich inzwischen klatschend um Sandra und mich verteilt. Ich spürte, wie ein Tropfen Schweiß meine Schläfe entlang kullerte. Wie peinlich! Ich wollte ihn wegwischen, doch durch die tiefblauen Augen, die mich erwartungsvoll anstarrten, war ich wie gelähmt. Das Blut schoss mir ins Gesicht. Es kam mir vor wie Stunden, Tage, Monate, in denen ich immer noch steif in den engen durchlöcherten Jeans und der Lederjacke im Schulhof stand und in dieses atemberaubend schöne Gesicht starrte.
Sandras Worte rissen mich aus meiner Trance: „Hast du es dann irgendwann? Ich habe nicht ewig Zeit!“ Unwillkürlich formte sich mein Mund zu einem breiten Lächeln. Das war das erste Mal, dass sie mit mir redete. Das schönste Mädchen der Schule hatte mit MIR, einem Außenseiter, der versuchte „cool“ zu sein, geredet! Der Sinn ihrer Worte war mir zu dem Zeitpunkt vollkommen egal.
„Halloooooooo?“, fuhr sie fort. „Ähmm…also…ich…“, begann ich, doch mehr brachte ich nicht heraus. Wieder starrte ich sie wortlos an. „Glotz nicht so blöd“, beschwerte sich Sandra. „Ich… Ich kann nicht“, stieß ich hervor und stürmte durch die Menge, die inzwischen totenstill geworden war. Ich lief, so schnell mich meine Beine trugen. Ich wollte einfach nur weg. Weg von der Schule, meinen „Freunden“ die mich nur wegen meiner neuen Designerklamotten mochten und weil sie glaubten, dass ich ein Skateboard-Profi sei. Und vor allem wollte ich weg von Sandra, die mich bestimmt für einen Vollidioten hielt.
Tränen liefen mir in Strömen über die Wangen und ich blieb keuchend stehen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wo ich war. Plötzlich piepste mein Handy. „Das ist bestimmt meine übervorsichtige Mutter,“ schoss es mir durch den Kopf. Stattdessen stand da: „Skaterpark, große Halfpipe, 15: 00 Uhr. Beweise uns, dass du was drauf hast und gehöre ich dir.“
Das Blut gefror mir in den Adern. Ich hatte zwar herumerzählt, dass ich toll Skateboard fahren könne, in Wahrheit hatte ich aber nicht einmal eines. Da das meine einzige Chance war an das tollste Mädchen aller Zeiten heranzukommen, machte ich mich auf den Weg.
Mein Magen drehte sich um, als ich meinen Kopf in den Nacken legte, um das Monster einer Halfpipe komplett zu sehen. Panik.
„Tu es, tu es, tu es…“, wurde diesmal geschrien. Plötzlich drückte Sandra mir ein klappriges Skateboard in die Hände, einen Kuss auf die Wange und schob mich dann zur Leiter. Mit hochrotem Kopf ergriff ich eine der Sprossen. „Ich habe mich schon genug blamiert! Jetzt darf ich nicht aufhören! Mach es für Sandra, Thomas!“, schoss es mir durch den Kopf. Es war schwierig mit dem Skateboard unter dem Arm zu klettern. Mit jeder erklommenen Sprosse wurde mein Atem schneller. Doch ich biss mir auf die Lippen und rief mir immer wieder dieselben, motivierenden Sätze ins Gedächtnis.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX