CRESCENDO
Gold. Das plötzliche Licht war Gold, eine durchbrechende Hoffnung, nie erwartet, das harte Stechen auf sein nacktes Herz, die Erinnerung an die Finsternis der Zelle noch zu bitter. Keine Schreie saßen in seinen verwirrten Gedanken.
Rot. Ein betörendes Rot, die Vorhänge wie fruchtig bitterer Wein, geschmeidige Finger begannen über fahlen Elfenbein zu tanzen, das helle Moll stieg, die Tasten waren leicht. Nur die vielen Augen zählten, doch sie blieben gleichgültig.
Blau. Eine vollkommene Kälte. Die Kurve schimmerte unter stahlblauem Lampenlicht, schweißig, die Finger schmiegten sich an den scharfen Stahl. Draußen wiegten sich die Gräber im fahlen Wind, bereit für das Unaussprechliche. Der Tod hatte diese Welt geküsst. Ihn aber hatte er verspottet.
Er lachte. Gold. Geblendete Augen wagten keine Träne zu vergießen, es war das Herz, das zählte, nur das Herz, es war das Tor zum Licht, zur einzigen Majestät, seine erfüllten Augen waren Gold, und er sah. Gottgold.
Die Melodie schwoll an, von roten Vorhängen hallten die Hörner, während Geigenwogen sich mit Oktabassdonnern maßen, und der Sturmwind mit Posaunenstimmen über die Unsterblichkeit sang, verspottend die verlorenen Flöten, die im Chaos ihre weißen Schwingen zu retten suchten, bis aus dem zornigen Ozean der König der salzigen Gischt mit sturmgekröntem Haupt stieg, und er den letzten Schlag gab, ungebeugt, unverwundbar, unsterblich. Sturmrot.
Der Tod war bitter wie blauer Stahl, und süß wie Mandeln, im Mantel von Lügen und Hass verschlang er jeden Tag ungezählte Seelen. Keine Knochen blieben von den Toten zurück, denn die Menschen verbrannten den letzten Rest ihrer Liebe in feurigen Öfen. Ascheblau.
Geschundene Knie streckten sich, erhoben die raue Seele zum Gold, sein Herz sehnte sich, verwirrt vom Duft der vergessenen Wärme, und zweifelnd, dass es nur eine Illusion, ein Wahn, ein Traum sein könnte. Hals über Kopf stürzte er sich ins Gold, gleich einem Selbstmörder – und starke Hände fingen ihn auf. Doch alle Preisungen hatte er vergessen. Er zitterte unter der Last von Erlösung.
Eine Welle des Beifalls, ein Ungeheuer mit tausend Händen, die roten Vorhänge schwiegen, die Blicke flogen durch seinen edlen Frack hindurch. Blicke, von denen zu viele ihn ertrunken im bittersüßen Atem des Todes sehen wollten. Doch sie ahnten nicht, dass der Friede kalter Leichen keine Ruhe schenkte.
Wer kennt das Maß, mit dem Verzweiflung festgeschrieben wird? Er achtete nicht auf den Abwesenden, der ihn wie ein Fremder betrachtete. Die Augen geschlossen vor Erinnerungen aus vermeintlichem Gold, und der zerfallenen Liebe zu Gott und dem Menschen. Jude! Kaltes Eisen küsste sein Herz. Kältere Finger begannen zu spielen, nass und rot wie das Gesicht eines Sturmrots, eines Crescendo. Graues Elfenbein brach unter der Last toter Hände, als Dunkelheit sich um sein verfaultes Herz schloss, und er etwas spürte, das schmeckte, sich anfühlte, und roch, wie. . .
Gold. Kyrie Eleison, warum öffnest du die Gräber? Amen. Sagt der Mann am Kreuz.
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