CUPIDO
Dort saß sie. Ja sie. Sie war wunderschön. Ihre dunkeln, kastanienbraunen Haare waren streng mit einem schwarzen Band hochgesteckt. Jedes einzelne Haar saß perfekt. Außer eines. Es wollte nicht so sein wie die anderen, tanzte verzweifelt aus der Reihe. Aber selbst dieses saß doch wie angegossen, berührte nur ganz leicht und vorsichtig ihre rosig zarte Wange. Am liebsten würde ich meine Hand ausstrecken, es ihr hinter das Ohr streichen und in ihre wunderschönen Augen sehen. Ach wie gern würde ich das nur tun. Doch das geht nicht.
Wenn ich jetzt sagen würde, dass das noch nicht geht, aber vielleicht eines Tages, würde ich lügen. Ich würde lügen, um mich selbst zu besänftigen, Hoffnung in mir keimen zu lassen. Schließlich stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt.
Aber ich bin realistisch und bleibe bei der schmerzhaften Wahrheit. Hoffnung hat mir noch nie sehr viel gebracht. Nein, das hat sie nicht. Ganz im Gegenteil. Ich werde immer nur enttäuscht. Immer und immer wieder. Schon zu oft wurde ich zerbrochen und musste mich selbst wieder zusammenflicken.
Langsam, Millimeter für Millimeter, fahren meine Augen die Konturen ihres Gesichtes nach. Bei den buschigen Augenbrauen angefangen, weiter runter zu ihren großen Rehaugen, die so dunkel sind, dass man die Pupille von der Iris nicht unterscheiden kann. Gelegentlich blinzelt sie verwirrt mit ihren Wimpern, so dicht wie Federn.
Ihre kleine Stupsnase hat über die Ferien ein paar Sommersprossen bekommen. Ich möchte jede einzige davon berühren. Weiter gehen meine Augen zu ihren Lippen. Ach, ihre Lippen. Sie hat ganz besondere Lippen. Lippen, die voll und weich sind wie das Kissen, auf das man sich am späten Abend fallen lässt, ganz erschöpft von der Arbeit.
Wie kann man mit solch einer Schönheit nur mithalten? Wie kann ich nur mithalten? Ich mit meinen struppigen, straßenköterblonden Haaren, den schlammgrünen Augen. Im Gegensatz zu mir ist sie etwas Besonderes. Das war sie schon vom ersten Moment an, in dem ich sie gesehen habe. Schüchtern, aber nicht zu schüchtern. Selbstsicher, aber nicht zu selbstsicher. Jemanden, der so außergewöhnlich ist, trifft man nur ein einziges Mal in seinem gesamten Leben. Das kann ich nicht zerstören.
Trotzdem weiß ich nicht, was mich mehr zerreißen würde. Wenn ich die Karten offen auf den Tisch lege und sie mich angewidert von meinen unnatürlichen Gefühlen zu ihr verlässt oder wenn sie nichts davon weiß und ich bei ihr bleiben kann…
Andererseits werde ich zu ihr gezogen wie ein Magnet. Sie hat so eine unglaubliche Perfektion, die für mich unwiderstehlich ist. Nein, ich korrigiere mich. Sie hat keine Perfektion. Sie ist Perfektion. Und vor geraumer Zeit hat sich mein dämliches Herz dazu entschlossen, sich Hals über Kopf in die Liebe zu stürzen. Der Pfeil des Cupido hat mich getroffen. Nicht aber meine beste Freundin.
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