Das Coming-Out
Mein Name ist Alex. Genau genommen heiße ich Alexandra, doch ich bevorzuge es, Alex genannt zu werden. Ich bin 16 Jahre alt, gehe noch in die Schule. Da meine Schule eine offene und tolerante Schule ist, gibt es viele Jugendliche, die sich bereits geoutet haben. Aber für mich ist es noch immer nicht einfach. Ich bin Trans, wurde also im falschen Körper geboren. Darüber weiß nur meine beste Freundin Laura Bescheid.
Wenn ich mal mit meinen Eltern reden will, hören sie nicht zu oder sind gerade beschäftigt. Es gibt in der Schule zwar Vertrauenslehrer, aber ich bin mir nicht so sicher, ob ich diesen wirklich vertrauen kann. In der Schule kommt es immer wieder zu Situationen, in welchen ich mich sehr unwohl fühle, wie zum Beispiel wenn im Italienischunterricht die Gruppe mit „Mädls“ angesprochen wird. „Ragazze“ ist zwar richtig, denn wir sind ja nur Mädchen, dennoch fühle ich mich nicht wohl damit.
Vor zwei Wochen war es dann endlich soweit. Ich beschloss, mit einem Vertrauenslehrer zu reden. Er war der erste Erwachsene, dem ich mein Geheimnis anvertraute. Und er bestärkte mich, mit meinen Eltern zu reden. Das Gespräch sollte jedoch auf „neutralem Boden“ stattfinden, deshalb kommen meine Eltern heute in die Schule
Ich sitze schüchtern neben dem Vertrauenslehrer und versuche, ein Wort herauszubringen.
ch stottere: „Mama, Papa, ich muss euch was sagen.“
Mama legt ihr Handy aus der Hand und diese auf meine Schulter. „Was ist los mein Schatz?“
Ich antworte leise: „Ich glaube, ich bin Trans.“
Mein Kopf ist voll mit Fragen. Wie reagieren meine Eltern auf diesen Satz? Werden sie mich trotzdem noch lieben? Ich habe Angst, Angst, vor der Reaktion. Ich zittere. Doch zu meiner Überraschung reagieren beide großartig. Und ich kann beide in die Arme schließen.
Die ersten Hürden habe ich geschafft, doch das Outing vor meiner Klasse steht noch an.
Dafür gehe ich x-Mal die Situation in meinem Kopf durch und stelle mir verschiedene Szenarien vor.
Am 13. 3. 2019 versuche ich es das erste Mal. Ich schwitze. Ich bin unruhig und in meinem Kopf dreht sich alles. Wie würden die Mitschülerinnen reagieren? Ich nehme all meinen Mut zusammen, gehe zur Tafel, bleibe stehen. Erstaunte Blicke, Geflüster. Mit dem Blick auf den Boden gerichtet fange ich an zu reden und alle meine zurrechtgerückten Sätze im Kopf sind verschwunden. Ich stottere ganz leise:
„Ich wollte euch sagen, dass ich nicht mehr Alexandra genannt werden will, sondern Alex oder Alexander.“
Nach ein paar Sekunden kompletter Stille im Raum füge ich noch schnell hinzu: „Ich bin Trans.“
Gemurmel durchbricht die Stille, ich habe Angst. Durch meinen gesenkten Blick kann ich nur im Augenwinkel erkennen, dass sich jemand auf mich zu bewegt. Ich höre eine vertraute Stimme: „Mir ist egal ob du ein Junge bist oder nicht, ich stehe immer zu dir.“ Erst als die Person näher kommt kann ich erkennen, dass es Laura ist. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Immer mehr Mitschülerinnen kommen zu mir, umarmen mich und sagen: „Ich auch.“
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