Das ewige Paradies
Na? Wie geht’s? Möchtest du nicht auch unsterblich werden? Ja? Nein? Naja, ich wusste es auch nicht so recht. Also, ich war froh, wie alles war, Familie, Freunde, ein Haus, Schule lief okay, so könnte es doch für immer bleiben. Leider hat alles ein Ende, das ist auch gut so, denke ich zumindest jetzt.
Am faszinierendsten fand ich damals die Erforschung des Gehirnes, wie man es zu einhundert Prozent in die digitale Welt umwandeln könnte. Das nannte ich Zukunft! Unsere Welt konnte man doch eh nicht mehr retten, ich war nur deprimiert. Unabhängig davon, alles hat ein Ende. Als jedoch mein bester Freund, jemand, der mir das Leben lebenswert machte, an Krebs starb, wollte ich das nicht mehr glauben. Wie dumm ich auch war, brachte ich mich um. Tot war ich aber nicht, sondern querschnittsgelähmt. Von diesem Zeitpunkt aus waren alle meine Träume geplatzt, ich war weder unsterblich noch von der Welt erlöst. Alles erschien hoffnungslos, als konnte ich nichts mehr tun. Jedoch, wie aus dem nichts kam ein Angebot einer Technikfirma, die nach Freiwilligen für ihr Experiment, das Gehirn zu digitalisieren, suchten. Die Chance zu überleben war sehr gering, aber was blieb mir übrig? Doch wenn es klappen würde, dann wäre ich eigentlich unsterblich und könnte meine eigene Welt so gestalten, wie ich es mir schon immer vorgestellt hatte. Meine Eltern stimmten mir nach ewig langen Gesprächen zu. Dann geschah es, ich wurde in einen Operationssaal geschoben und unter Narkose gesetzt. Ich öffnete meine Augen, aber ich sah nichts, schwarz. Plötzlich wurde ich von einer weiblichen Stimme willkommen geheißen, die Operation ist geglückt und ich war von nun an in einer digitalen Welt mit vollem Bewusstsein, unsterblich sozusagen. Ich konnte Dinge spüren, hören, mich bewegen, mir eine eigene Welt erstellen, im Browser surfen und alles, was man eben will. Ein Paradies! Irgendwann begannen meine Eltern mich zu besuchen, digital als Avatare, es fühlte sich so gut an, aber dieses Gefühl sollte bald verschwinden. Nachdem ich alle möglichen Funktionen getestet hatte, begannen Langeweile und Einsamkeit meinen Verstand zu fressen. Ich weinte, ich schrie, auch wenn meine Eltern mich besuchten, wollte ich sie nur in der realen Welt sehen. Was zuerst wie ein Paradies schien, war eigentlich die Hölle selbst. Ich verlor das Gefühl für die Zeit. Ab einem Punkt konnte ich keinen Kontakt zur realen Welt mehr herstellen. Sind sie alle etwa tot? Ich konnte mich nicht ausschalten oder umbringen, ich war gefangen. Meine Eltern kamen nicht mehr.
So begann ich mir eine Welt aufzubauen, ich erstellte meine Eltern, Freunde, die Schule, ein Haus. So fühlte ich mich nicht mehr so allein, die Uhr tickt. Ich warte immer noch auf dieses vermeidliche Ende eines jeden, doch es will einfach nicht kommen. Aber was soll’s, ich bin eigentlich froh, wie alles gerade ist, Familie. . . Freunde. . . ein Haus. . . Schule läuft okay. . . ich wurde sogar unsterblich.
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